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Leben in Ost- und Westdeutschland

Leben in Ost- und Westdeutschland

Eine sozialwissenschaftliche Bilanz der deutschen Einheit 1990-2010

Leben in Ost- und Westdeutschland
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Veröffentlicht 2010, von Peter Krause, Ilona Ostner bei Campus

ISBN: 978-3-593-39333-9
Auflage: 1. Auflage
796 Seiten
zahlr. Grafiken und Tabellen
22 cm x 15.2 cm

 
Hat Deutschland zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer seine Trennung überwunden? Ist "zusammengewachsen, was zusammengehört"? In diesem Band versuchen Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler diese umstrittene Frage mithilfe empirischer Vergleiche der Entwicklung der Lebensbedingungen und -verläufe in Ost und West zu beantworten. Der Aufbau orientiert sich an den typischen Phasen ...
Textauszug
Einleitung: Was zusammengehört …
Eine sozialwissenschaftliche Bilanzierung des Vereinigungsprozesses
Peter Krause und Ilona Ostner

1. Ausgangspunkt und Anliegen des Bandes
Willy Brandt war sich im November 1989 sicher, dass zusammenwachsen würde, was seiner Ansicht nach nun zusammengehörte. Völlig fremd waren sich die beiden Deutschlands nicht geworden, teilten sie doch immer noch Geschichte, Sprache und Kultur. Sechzehn Jahre später stellt Klaus Schroeder (als einer von vielen) fest, "dass das Zusammenwachsen keineswegs reibungslos geglückt ist". Ost- und Westdeutsche seien sich häufig fremd geblieben, auch mangele es an einem gemeinsamen Selbstverständnis, wer "wir sind und was wir wollen" (vgl. Schroeder 2006: 617).
Die deutsche Einheit, der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik vor 20 Jahren, stellte einen "schlagartigen Systemwechsel" dar, der durch die Übernahme aller grundlegenden politisch-institutionellen, rechtlichen und wirtschaftsordnungspolitischen Regelungen, einschließlich der Währung und der Arbeitsmarktordnung, sowie der westdeutschen Sozialstaatlichkeit gekennzeichnet war (Lutz 1994; Hauser 1995). Mit dem Systemwechsel, stellte Richard Hauser bald nach der Wende fest, wurde "notwendigerweise ein langanhaltender Transformationsprozeß in Gang gesetzt", in dessen Verlauf sich nicht nur die Wirtschafts- und Sozialordnung, sondern "jeder einzelne an die neuen Rahmenbedingungen anpassen muß[te]" (Hauser 1995: 463). Trotz aller Hilfen würden, so die naheliegende Vermutung Hausers, nicht alle Bürger diese Anpassungsleistung in gleicher Weise erbringen können (ebd.). Soziale und wirtschaftliche Auf- und Abstiege, neue, ganz anders gelagerte soziale Ungleichheiten waren erwartbar, auch weil in der DDR Lebensbedingungen und Lebenschancen deutlich weniger ungleich waren als in der Bundesrepublik. Detlef Pollack (1991: 454) sprach von der "individuellen Tragödie" als einem sich abzeichnenden ostdeutschen "Massenphänomen". Sie sollte darin bestehen, dass viele Ostdeutsche, DDR-"enkulturiert" und -sozialisiert, nicht ausreichend auf die conditio humana der westlichen Risikogesellschaften, auf Risikoübernahme und Scheiternkönnen, vorbereitet waren. In der "Organisationsgesellschaft" der DDR hatten sie kaum gelernt, sich auf ein Scheitern einzustellen und Risiken einzugehen, ohne sich dann im Falle des Scheiterns aufzugeben (ebd.). Daher erwartete auch Pollack langwierige Anpassungsprozesse und zwar vor allem mentaler Art. Die Langwierigkeit dieses Prozesses mentaler Anpassung sollte sich, so Pollack schon 1991, in einer mangelnden Akzeptanz der neuen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialordnung äußern. Zu dieser mangelnden Akzeptanz habe die Rücksichtslosigkeit beigetragen, mit der die westlichen Institutionen übertragen und einseitige Anpassung erwartet wurden (vgl. dazu Lutz 1994; ferner Ritter 2006). Dabei fand die "institutionelle Inkorporation" selbst in den Bereichen statt, in denen die DDR modern erschien (Pollack 1991: 452) und "durchaus ›modernere‹ Institutionen anzubieten hatte als die alte Bundesrepublik" (Mayer 1994: 308) - zum Beispiel bei den ambulanten medizinischen Diensten, bei der Integration allgemeiner und beruflicher Bildung, bei der Frauenerwerbstätigkeit und der institutionellen Kinderbetreuung, um nur einige zu nennen.
Wie haben sich nun nach der Vereinigung die Lebensbedingungen in Ost- und Westdeutschland verändert? In welchen Lebensbereichen ist bereits eine Angleichung erfolgt und wo bestehen unterschiedliche Lebensbedingungen weiter fort? Wie unterscheiden sich Haushaltsformen und Familienstrukturen? Ist bei den objektiven Bereichen Arbeit und Lebensstandard eine Angleichung der Lebenschancen erfolgt und inwieweit divergieren noch Einstellungen und Werte, die auch die Bewertungen in Form von Zufriedenheiten und Sorgen der Lebensumstände bestimmen? Welche Bedingungen zeichnen sich für die nachfolgenden Kohorten ab, die nach der Vereinigung geboren und aufgewachsen sind? Schließlich: Inwieweit ergeben Ost-West-Betrachtungen überhaupt noch Sinn? Sollten wir nicht besser bei den sozialwissenschaftlichen Analysen von regionalen Disparitäten ausgehen und auf eine Darstellung der Ost-West-Unterschiede ganz verzichten?
Der vorliegende Band soll die Entwicklung der Lebensbedingungen in beiden Landesteilen seit der Vereinigung zum Thema haben und in wesentlichen Teilen komparativ empirisch (mit SOEP-Daten und andere) angelegt sein. Die Längsschnitterhebung des Sozio-oekonomischen Panels, die seit 1984 (zunächst nur in Westdeutschland) unter dem Titel "Leben in Deutschland" jährlich bei denselben Personen und Haushalten durchgeführt wird (Wagner u.a. 2008), konnte bereits im Juni 1990 - noch vor Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion (am 1. Juli 1990) und noch vor der Vereinigung selbst (am 3. Oktober 1990) - auf das Gebiet der ehemaligen DDR ausgedehnt werden. Folglich lassen sich mit dieser national und international vielfach ausgewerteten Datenquelle individuelle Anpassungsprozesse und Lebensverläufe seit der Einheit detailliert abbilden. Neben dem SOEP existieren auch andere Datenquellen, die im vorliegenden Band herangezogen werden, um den Vereinigungsprozess mit sozialwissenschaftlichen Daten und Methoden zu bilanzieren.
Wir haben den Aufbau des Bandes in erster Linie an den Stationen im Lebensverlauf ausgerichtet. Der Band ist in vier Kapitel gegliedert: Kapitel I leitet nach der Einleitung durch vier inhaltlich unterschiedlich gelagerte Überblicksartikel in das Leitthema der sozialwissenschaftlichen Bilanzierung des Vereinigungsprozesses ein. Das Kapitel II folgt in fünf Schritten dem Lebensverlauf, mit jeweils vergleichenden Betrachtungen zu jeder Lebensphase. An dieses große inhaltliche Kapitel schließt ein weiteres inhaltliches an (Kapitel III), das lebenslaufübergreifende Querschnittsthemen zu vier Bereichen enthält. Den Abschluss des Bandes bildet ein forschungspraktischer Teil (Kapitel IV) zum Stand der sozialwissenschaftlichen Datenquellen, die für die komparative Ost-West-Lebensverlaufsforschung zur Verfügung stehen. Die Struktur des Buches soll also die inhaltlich gut begründbare lebenszyklisch-vergleichende Betrachtung der Lebensbedingungen in Ost und West betonen und durch entsprechende Beiträge einlösen.

Beschreibung
Hat Deutschland zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer seine Trennung überwunden? Ist "zusammengewachsen, was zusammengehört"? In diesem Band versuchen Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler diese umstrittene Frage mithilfe empirischer Vergleiche der Entwicklung der Lebensbedingungen und -verläufe in Ost und West zu beantworten. Der Aufbau orientiert sich an den typischen Phasen des Lebensverlaufs: Kindheit, Jugend, Erwachsensein, Altern. Er beleuchtet Aspekte wie Schule und Bildung, Partnerschaft und Familie, Arbeitsmarkt und Erwerbsleben, Lebensstandard und Konsumstile, Zufriedenheiten und Sorgen, soziale Integration und politische Beteiligung. Eine wesentliche Grundlage der empirischen Bilanzierung bildet das SOEP, eine national und international vielfach ausgewertete Längsschnitterhebung, die seit 1984 (zunächst nur in Westdeutschland) jährlich bei denselben Personen und Haushalten durchgeführt wird und 1990 auch auf das Gebiet der ehemaligen DDR ausgedehnt wurde. Zudem werden mehr als 20 weitere sozialwissenschaftliche Datenquellen herangezogen.

Über Peter Krause, Ilona Ostner

Peter Krause, Dr. rer. soc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am DIW Berlin. Ilona Ostner, Dr. phil., ist Professorin für Vergleichende Sozial- politik an der Georg-August-Universität Göttingen.