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Mediation in der Familie - mehr als nur Alternative zum Gericht

Beitrag von Mag. Ulrich Wanderer


Man assoziiert Mediation oftmals mit Scheidungskonflikten. Dies nicht ohne Grund, werden doch ca. 85 % aller Scheidungen einvernehmlich abgehandelt, viele davon mit Unterstützung eines Mediators oder einer Mediatorin (oft auch im Teamsetting). Doch gehen die Möglichkeiten der Mediation weit über die Scheidungsthematik hinaus und beginnen bereits bei der Planung und Gestaltung einer Lebensgemeinschaft. Gerade die Formfreiheit selbiger bringt oftmals Regelungsbedarf mit sich, beispielsweise hinsichtlich gemeinsamer Investitionen oder der Aufnahme gemeinsamer Schulden. Auch hier kann eine Mediation unterstützen, in konstruktiver Atmosphäre Bedürfnisse und Erwartungshaltungen ebenso wie die rein wirtschaftlichen Fakten unter einen Hut zu bringen.

Von der Lebensgemeinschaft zur Ehe

Überlegen die Lebensgefährten eine nach außen sichtbare Bindung einzugehen und verpartnern bzw. ehelichen sich, so ist der Gedanke an eine Mediation zwar nicht immer erforderlich, aber dennoch werden Mediatorinnen und Mediatoren auch in diesen Fällen gerufen. Hat eine der beiden ehe- oder eintragungswilligen Parteien beispielsweise bereits schlechte Erfahrungen im Rahmen einer Scheidung gemacht und weiß daher um die Vorteile eines Ehevertrags Bescheid, so hilft bei dessen Vorbereitung das konstruktiv-empathische Setting der Mediation. Insbesondere kann so vermieden werden, dass der Wunsch nach einem notariellen Ehevertrag als Misstrauen gedeutet wird; bildet er doch vielmehr eine juristisch profunde Grundlage der Vermögensregelung während der Ehe und verhindert so konfliktträchtige Missverständnisse.

Konflikte in der eingetragenen Partnerschaft oder der Ehe

Kommt es jedoch im Rahmen einer eingetragenen Partnerschaft oder einer Ehe zu gröberen Konflikten, so kann eine räumliche Trennung den Druck aus dem Konflikt nehmen und so massiv deeskalierend wirken. Um die notwendigen Regelungen auch korrekt und zu Beweissicherungszwecken in Schriftform zu fixieren, steht die Form eines Trennungsvertrags zur Verfügung, welcher inhaltlich große Parallelen zur einvernehmlichen Scheidung aufweisen kann. So können bei Bedarf neben der schlichten Vereinbarung, dass der Auszug eines Ehegatten im Einvernehmen mit dem anderen geschah, auch Regelungen zur Vermögensaufteilung und zum ehelichen Unterhalt getroffen werden.

Die einvernehmliche Scheidung

Die einvernehmliche Scheidung als bekanntestes Beispiel einer Mediation erfordert von den scheidungswilligen Medianden Vereinbarungen zu den Angelegenheiten der gemeinsamen Kinder (Obsorge, Betreuung, Kontaktrecht, Unterhalt) sowie zu den vermögensrechtlichen Regelungen (nachehelicher Unterhalt, Ehewohnung, Schulden- und Vermögensaufteilung, eheliches Gebrauchsvermögen). Besonders wichtig ist es jedoch, gerade im Rahmen einer Scheidungsmediation auch der Emotion Raum einzuräumen. Kränkungen, Verletzungen und Zukunftsängste müssen adressiert und in ihrer Intensität auch wahrgenommen werden, sollen sie nicht Jahre später in Form von Scheidungsfolgenkonflikten wieder aufbrechen.

Kollateralvorteile der Mediation

Die Möglichkeiten der Mediation sind nicht auf den akut eskalierten Konflikt beschränkt, sondern können – rechtzeitig genutzt – dazu beitragen, durch klare Regeln Missverständnisse und daraus resultierende Streitigkeiten zu vermeiden. Durch das der Mediation eigene Menschenbild, welches die Medianden (die Parteien) in den Mittelpunkt stellt, kann neben den juristischen Notwendigkeiten auch eine große Menge an emotional aufgeladenen Themen aufgelöst werden. Empathie, Aufmerksamkeit, Respekt und echtes Interesse für die Probleme des Gegenübers schaffen die Grundlage einer nachhaltigen Regeländerung im Miteinander der Parteien. Daher ist Mediation insbesondere in jenen Scheidungsfällen ein wichtiges Tool der Konfliktlösung, bei denen die Medianden – beispielsweise aufgrund der gemeinsamen Elternschaft – auch noch nach Beendigung der Ehe Kontakt zueinander haben.

6. Juli 2021



Mag. Ulrich Wanderer

ist seit 2007 selbständiger Mediator in Wien, Niederösterreich und Kärnten. Spezialgebiete: Nachbarschafts-, Familien-, Erbschafts- sowie Datenschutzmediation. Er ist Lektor an der FH Kärnten und Gastvortragender an der Universität Wien. Zudem ist er als Jurist in Familienberatungsstellen und an Bezirksgerichten tätig. Zahlreiche Publikationen auf dem Gebiet der Mediation und des Familienrechts, Vortragstätigkeit zu unterschiedlichen Themen.

© Ulrich Wanderer

 

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