Volltextsuche nutzen

B O O K SCREENER

Aktuelle Veranstaltungen

Events
  • versandkostenfrei ab € 30,–
  • 11x in Wien, NÖ und Salzburg
  • 6 Mio. Bücher
Menü

Mediation als Chance

Beitrag von Mag. Ulrich Wanderer


Nur selten kam es in den in den vergangenen Jahrzehnten vor, dass die Nerven so blank lagen wie seit Beginn der Corona-Pandemie. Die bekannten Restriktionen der letzten Monate schafften eine Atmosphäre der permanenten Anspannung, die sich in Konflikten auf unterschiedlichsten Ebenen entlud. Immer öfter führte dies zu Eskalationen zwischen Nachbarn oder innerhalb der Familie.

Die Vorteile der Mediation am Beispiel der Nachbarschaftsmediation

Die Möglichkeiten der Mediation sind in diesem Umfeld gefragter denn je. Im Gegensatz zu vielen anderen Konfliktregelungsmechanismen, die die Klärung und Lösung eines Streits an externe Instanzen (Polizei, Gericht, Hausverwaltung etc.) delegieren, verbleibt – bzw. entsteht – bei der Mediation die Konfliktbeilegungskompetenz bei den Parteien selbst. So sollen sie auch das entsprechende Rüstzeug für zukünftige Konflikte erhalten. Darüber hinaus bietet Mediation, vor allem bei hocheskalierten Themen, eine zeitnahe Auseinandersetzung und hat somit auch eine nicht zu unterschätzende Ventilfunktion. Beschweren sich beispielsweise Mieterinnen und Mieter bei der Hausverwaltung über die nächtlichen Auseinandersetzungen in der darüber liegenden Wohnung, so vergeht in der Regel viel Zeit (soweit überhaupt eingegriffen wird), bis die Hausverwaltung die Lärmverursacherinnen und Lärmverursacher kontaktiert und um Stellungnahme ersucht, zumal die Streitschlichtung zwischen den Mieterinnen und Mieter nicht zur Kernaufgabe der Hausverwaltung zu rechnen ist. Eine Mediatorin oder ein Mediator steht den Mieterinnen und Mieter im Gegensatz dazu auch unmittelbar und zeitnah zur Verfügung und nimmt sich der Themen an. Darüber hinaus vermittelt die Mediatorin oder der Mediator auch jenes so wichtige Gefühl, im höchstpersönlichen Leidensdruck verstanden und ernstgenommen zu werden. Gleichzeitig ist es wichtig, der anderen Konfliktpartei nicht primär einen Vorwurf und die damit verbundene Schuldzuweisung an den Kopf zu werfen, sondern auch hier den Leidensdruck wahrzunehmen. Schließlich leidet auch die lärmverursachende Partei durch die Vorwürfe der Nachbarn, umso mehr, wenn der empfundene Lärm von zu betreuenden spielenden Kindern stammt. Hier mit juristischem Vokabular, Anzeigen und Klagsdrohungen zu argumentieren, mag menschlich verständlich sein, doch führt dieser Weg gerade im Bereich der Nachbarschaftskonflikte nur zu einer kurzfristigen Ruhe. Arbeiten jedoch alle betroffenen Parteien gemeinsam an einer Lösung, so eint bereits schon die gemeinsame Anstrengung. Mediation ist mehr als ein in Phasen gegliedertes Verfahren.

Mediation bedeutet Menschlichkeit und Interesse am Standpunkt des anderen. Nicht immer, aber doch erfreulich oft können nicht nur Konflikte beigelegt, sondern manchmal sogar Freundschaften begründet werden, die durch schlichte Irrtümer jahrelang verhindert wurden. Alles, was es dazu braucht, ist die ehrliche Offenheit, sich darauf einzulassen. 

8. Juni 2021



Mag. Ulrich Wanderer

ist seit 2007 selbständiger Mediator in Wien, Niederösterreich und Kärnten. Spezialgebiete: Nachbarschafts-, Familien-, Erbschafts- sowie Datenschutzmediation. Er ist Lektor an der FH Kärnten und Gastvortragender an der Universität Wien. Zudem ist er als Jurist in Familienberatungsstellen und an Bezirksgerichten tätig. Zahlreiche Publikationen auf dem Gebiet der Mediation und des Familienrechts, Vortragstätigkeit zu unterschiedlichen Themen.

© Ulrich Wanderer

 

Literatur zum Thema