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Abschaffung der „Kalten Progression“

Beitrag von Thomas Michelitsch, BA, MSc.


Nach Jahren der Ankündigung ist nun tatsächlich geplant, die Kalte Progression endgültig und dauerhaft abzuschaffen. Die diesbezügliche Regierungsvorlage wurde am 12.10.2022 im Nationalrat und am 20.10.2022 im Bundesrat beschlossen. Die Gesetzwerdung bleibt bei Redaktionsschluss noch abzuwarten.

Definition der „Kalten Progression“ 

Das EStG definiert dieses Phänomen als „das inflationsbedingte Mehraufkommen an Einkommensteuer, das sich für das jeweilige Folgejahr als Differenz aus dem Steueraufkommen auf Grundlage von noch nicht nach § 33 Abs 1a inflationsangepassten Beträgen und dem Steueraufkommen bei einer Inflationsanpassung nach Maßgabe des § 33 Abs 1a unter Zugrundelegung einer gemäß Abs 3 ermittelten positiven Inflationsrate ergibt.“

Beispiel:  Auszugehen ist von einem:r Angestellten mit einem Monatsgehalt von € 2.500,─ brutto. Dieser Angestellte erhält mit 1.1.2023 eine effektive Gehaltserhöhung von € 250,─ brutto. Die Bruttogehaltserhöhung entspricht genau 10% ihres:seines bisherigen Brutto-Monatsgehalts. Ohne Berücksichtigung der Tarifanpassung sowie der nunmehr geplanten Indexierung der Tarifsteuerstufen ergibt sich durch die Gehaltserhöhung eine Erhöhung des Auszahlungsbetrages von € 138,17; dies entspricht einer Nettoerhöhung von 7,72%. 

Verminderte Steuerbelastung durch Abschaffung der Kalten Progression bzw Änderung der Steuersätze

Würde man nun die Einkommensteuerstufen um die Inflationsrate anpassen, ergäbe sich eine Nettogehaltserhöhung von 9,12% (ohne Berücksichtigung der Ökosozialen Steuerreform 2022). Unserem:r Angestellten verbleiben durch die geplante Indexierung der Tarifsteuerstufen somit € 25,11 mehr Nettobezug. Dieses Geld wäre ohne Indexierung als Lohnsteuer an den Staat geflossen. Diese Steuermehrbelastung – welche es zukünftig nicht mehr geben soll – nennt man Kalte Progression. Warum trotzdem nicht die vollen 10% Bruttoerhöhung „netto“ bei dem:der Angestellten ankommen, ergibt sich aus dem steigenden Monatsgehalt und dem damit erhöhten Durchschnittsteuersatz.

Neben der geplanten Abschaffung der Kalten Progression wurde bereits mit dem Ökosozialen Steuerreformgesetz 2022 eine Änderung der Steuersätze vorgenommen. Wenn man diese bereits beschlossene Änderung in das zuvor dargestellte Praxisbeispiel einfließen lässt, ergibt sich sogar eine tatsächliche Erhöhung des Auszahlungsbetrages von 10%.

Wie erfolgt die Umsetzung in der Zukunft?

Die Umsetzung soll so erfolgen, dass die Einkommensteuerstufen jährlich um zwei Drittel einer einheitlich festgestellten Inflationsrate angepasst werden (§ 33a Abs 4 idgF der RV Teuerungs-Entlastungspaket Teil II, 1662 d.B). Für das nicht durch die automatische Tarifanpassung erfasste Volumen der Kalten Progression (verbleibendes Drittel) soll die Bundesregierung laut den EBs verpflichtet werden, jährlich bis 15.9. hinsichtlich dieses Volumens einen Ministerratsbeschluss für Entlastungsmaßnahmen zu fassen. Die Maßnahmen sollen Bezieher:innen von Einkünften erfassen. Es sind vor allem Maßnahmen im Bereich des EStG 1988 vorzusehen. Maßnahmen im Bereich der Einkommensteuer können zur Senkung der Abgabenquote beitragen. Es können auch andere Maßnahmen für Erwerbstätige, wie etwa solche im Bereich der Sozialversicherung, der Förderung der Mobilität von Erwerbstätigen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder der Erleichterung von Erwerbstätigkeit sozial benachteiligter Personengruppen vorgesehen werden.

Für die Ermittlung der Inflationsrate soll das arithmetische Mittel der für die Monate Juli des vorangegangenen Jahres bis Mai des laufenden Jahres sowie des vorläufigen Wertes für Juni des laufenden Jahres der von der Bundesanstalt Statistik Österreich veröffentlichten Jahresinflationsraten des Verbraucherpreisindexes herangezogen werden. Das arithmetische Mittel ist auf das Zehntel eines Prozentpunktes zu runden (§ 33a Abs 4 idgF der RV Teuerungs-Entlastungspaket Teil II; 1662 dB). Für das Jahr 2023 wurde eine Inflationsrate von 5,2% festgestellt. Sollte sich in einem Jahr ein negativer Wert (Deflation) ergeben, löst dies keine Anpassung aus und hat auch auf die Inflationsanpassung in den Folgejahren keine Auswirkung.

Für das Jahr 2023 sollen darüber hinaus als zusätzliche Entlastungsmaßnahme die ersten beiden Steuertarifstufen nicht nur um die ursprünglich angedachten zwei Drittel der Inflationsrate (3,47%), sondern um 6,3% erhöht werden. Zusätzlich zu den oben dargestellten Anpassungen sollen auch beinahe alle Absetzbeträge im EStG um 5,2% erhöht werden. Davon ausgenommen sind jedenfalls der Pendlereuro und der Familienbonus Plus.

Conclusio

Durch die geplanten Maßnahmen des Gesetzgebers wird die Kalte Progression tatsächlich beinahe vollständig abgeschafft. Die Methodik führt jedoch dazu, dass es in der Personalverrechnung neben den veränderlichen Werten in der Sozialversicherung zukünftig auch in der Lohnsteuer jährlich neue Grenzen zu verarbeiten geben wird.

Lesen Sie mehr dazu im BMD PV Profi 4/2022 https://www.facultas.at/verlag/zeitschriften/pvprofi

8. November 2022



Thomas Michelitsch, BA, MSc.

ist Mitarbeiter im prüfbegleitenden Fachbereich des Prüfdienst Lohnabgaben und Beiträge (PLB), nebenberuflicher FH- und Universitätslektor, Fachautor, Prüfungskommissär für die Fachprüfung Abgabenrecht der KSW, Lehrgangsleiter und Vortragender für diverse öffentliche und private Bildungseinrichtungen.


 © Privat

 

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