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Hotellerie und Gastronomie sind keine Saisonbranchen

Beitrag von Mag.a Judith Morgenstern und Mag. Dr. Remo Sacherer, LL.M.


Nach langer Diskussion hat der OGH nun klargestellt: Beim Hotel- und Gastgewerbe handelt es sich nicht um eine Saisonbranche. Dies kommt für viele überraschend und hat weitreichende arbeitsrechtliche Folgen. 

Kündigungsfristen von Arbeiter:innen in Saisonbranchen 

Im Oktober 2021 kam es zu einer generellen Angleichung der Kündigungsfristen und -termine der Arbeiter:innen an die der Angestellten. Die Neuregelung enthält eine bedeutende Aus-nahme: Für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, können durch Kollektivvertrag (KV) kürzere Kündigungsfristen und andere Kündigungstermine für Arbeiter:innen geregelt werden. Diese Norm lässt für die Praxis zahlreiche Fragen offen. Der OGH hat nun Licht in die Beantwortung dieser Fragen gebracht. 

Entscheidung des OGH zur Hotellerie und Gastronomie

Im Kollektivvertrag für Arbeiter:innen im Hotel- und Gastgewerbe ist geregelt, dass für die Kündigungen von Arbeiter:innen eine Frist von 14 Tagen (ohne konkreten Kündigungstermin) gelten soll. Nachdem die Kündigungsbestimmungen für Arbeiter:innen gesetzlich neu geregelt wurden, war strittig, ob diese kollektivvertragliche Regelung weiterhin wirksam ist. Daher beantragte die WKO im Rahmen eines Feststellungsverfahrens beim OGH die Klärung dieser Frage. 

Der OGH kam zum Schluss, dass die bestehenden Regelungen über abweichende (kürzere) Kündigungsfristen in Kollektivverträgen unter der Voraussetzung weiterhin wirksam sind und nicht neu abgeschlossen werden müssen, wenn es sich um eine Branche handelt, in der Saisonbetriebe überwiegen. 

Saisonbetriebe liegen vor, wenn ein Betrieb nur zu bestimmten Jahreszeiten (zu bestimmten Zeiten gar nicht) oder regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeitet. 

Die WKO konnte mit den vorgelegten Daten für die Branche des Hotel- und Gastgewerbes nur aufzeigen, dass es bei 80 % der Betriebe innerhalb eines Jahres zu erheblichen Schwankungen des Beschäftigungsgrades (33,33 % oder mehr) gekommen ist. Das reichte dem OGH nicht aus, um ein verstärktes Arbeiten zu bestimmten Zeiten unter Beweis zu stellen, da Schwankungen des Mitarbeiter:innenstandes auch andere als saisonale Gründe haben können (zB events). Der OGH verneinte daher das Vorliegen einer Saisonbranche. (zB Events). 

Obwohl diese Entscheidung des OGH für Individualverfahren nicht bindend ist, ist davon auszu-gehen, dass sich andere Gerichte daran orientieren werden. Es ist daher für sämtliche Unternehmen dieser Branche ratsam, bei Kündigungen von Arbeiter:innen statt der kollektivvertrag-lichen Kündigungsbestimmungen die für sie wesentlich ungünstigeren gesetzlichen Kündi-gungsbestimmungen einzuhalten. Für bereits ausgesprochene Kündigungen besteht nun das Risiko, dass betroffene Arbeitnehmer:innen Kündigungsentschädigungen geltend machen können.

Auswirkungen auf andere Branchen

Diese Entscheidung des OGH bezieht sich grundsätzlich nur auf das Hotel- und Gastgewerbe, es können daraus aber Schlüsse für andere Saisonbranchen mit verkürzten kollektivvertraglichen Kündigungsbestimmungen gezogen werden (zB in den Arbeiter-KV der Agrarunternehmer:innen, Kleintransporte, Güterbeförderung und der Bauindustrie). 

Es besteht daher für diese Unternehmen ein erhebliches Risiko, wenn sie Arbeiter:innen unter Einhaltung der verkürzten kollektivvertraglichen Kündigungsbestimmungen kündigen. Arbeit-geber:innen sind daher bis zur Klärung dieser Frage durch den OGH für die jeweilige Branche gut beraten, die gesetzlichen Kündigungsfristen gemäß § 1159 Abs 2 ABGB einzuhalten und in den Dienstverträgen als Kündigungstermine jeden 15. Tag des Monats sowie den Monatsletzten zu vereinbaren.

8. Juni 2022



Mag.a Judith Morgenstern 

Selbständige Rechtsanwältin und Gründungspartnerin der Arbeitsrechtsboutique MOSA Rechtsanwälte in Wien; zahlreiche Fachpublikation; Trainerin für Arbeitsrecht.

Mag. Dr. Remo Sacherer, LL.M.

Rechtsanwalt und Gründungspartner der Arbeitsrechtsboutique MOSA Rechtsanwälte in Wien; Lektor für Arbeitsrecht an der WU Wien; Vortragender sowie Trainer für Arbeitsrecht ua beim WIFI Wien; zahlreiche Fachpublikationen.




Judith Morgenstern und Remo Sacherer

 © MOSA

 

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