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Indexklauseln in Mietverträgen unwirksam?

Beitrag von Richard Maria Raphael Eibl, LL.M.


Ein OGH-Urteil (2Ob36/23t) zur Unwirksamkeit einer mietvertraglichen Wertsicherungsklausel erzeugte unlängst ein starkes Medienecho. Zwar sind Preisanpassungsklauseln in Mietverträgen zur Wahrung des vermieterseitigen Interesses iSd Inflationsschutzes grundsätzlich zulässig (RS0132652), doch können sie im Einzelnen, wie im vorliegenden Fall, gegen das Konsumentenschutzgesetz verstoßen.

Untersucht wurde die gängige Formulierung, wonach im Falle, dass der vereinbarte öffentliche Preisindex nicht (mehr) verlautbart wird, „jener [Index] als Grundlage für die Wertsicherung [gilt], der diesem Index am meisten entspricht“. Die Regelung erfüllt laut OGH die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Preisänderungsklauseln gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht, da nicht beurteilt werden könne, welcher Index dem Verbraucherpreisindex „am meisten entspricht“ und wer dies beurteile. Überdies könne bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten, was gemäß § 6 Abs 2 Z 4 KSchG unzulässig sei. Auf Seiten der Vermieter:innen herrscht nun die Angst, dass Mieter:innen die aufgrund der unwirksamen Preisanpassungsklausel einbehaltenen Mietzinse der letzten 30 Jahre kondizieren. Dieses „Schreckgespenst“ ist jedoch in vier verschiedene Schranken zu weisen:

Unternehmereigenschaft

Das Konsumentenschutzgesetz ist nur auf Mietverträge anwendbar, die mit Unternehmern iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG abgeschlossen sind. Als annähernde Richtzahl wird in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass Vermieter:innen erst dann als Unternehmer:innen zu qualifiziert sind, wenn sie mehr als sechs Bestandsobjekte vermieten (vgl RS0065317 [T1]).


Verbandsklagenprivileg

Im gegenständlichen Fall brachte die Arbeiterkammer eine Verbandsklage gemäß §§ 28, 29 KSchG ein. In derartigen Verfahren gilt die Besonderheit, dass die gerichtliche Auslegung von Klauseln im „kundenfeindlichsten" Sinn zu erfolgen hat (RS0016590). In Leistungsklagen auf Rückforderung zu viel bezahlter Mietzinse ist diese Erleichterung nicht gegeben.


Ergänzende Vertragsauslegung?

Um einen Rückforderungsanspruch geltend zu machen, müssten sich Kläger:innen zudem auf den Wegfall der gesamten Wertsicherungsklausel berufen. Dem steht die Möglichkeit der Gerichte entgegen, ergänzende Vertragsauslegungen und Lückenschließungen durch dispositives Recht vorzunehmen. Beide Mechanismen sind zwar im Rahmen der sogenannten Klausel-RL nach der Rspr des EuGH unzulässig. Fraglich ist aber, ob der Anwendungsbereich der Klausel-RL im vorliegenden Fall überhaupt eröffnet wäre. Ob der Gesetzgeber mit § 6 Abs 2 Z 4 KSchG bzw § 6 Abs 1 Z 5 KSchG die Klausel-RL umsetzen wollte und was bei der Klauselkontrolle im Verbrauchergeschäft außerhalb der zwingenden Vorgaben des EuGH gelten soll, ist höchstgerichtlich nicht geklärt. Sollte sich der OGH für eine ergänzende Vertragsauslegung aussprechen, spricht die gelebte Vertragspraxis sowie eine balancierte Interessensberücksichtigung beider Vertragsparteien gegen den Wegfall der Wertsicherungsklausel und gegen einen Kondiktionanspruch der Mieter:innen (weiterführend Parapatits, Wertsicherungsklauseln, ÖJZ 2023/116).


Verjährungsfrist

Prinzipiell verjähren Ansprüche auf Rückerstattung rechtsgrundlos geleisteter Zahlungen gemäß § 1478 ABGB nach 30 Jahren. Allerdings normiert § 27 Abs 3 MRG eine grundsätzliche dreijährige Verjährungsfrist für zu Unrecht eingehobene Beträge nach den §§ 15 bis 26 MRG, wobei der OGH im Wege der teleologischen Extension festgestellt hat, dass darüber hinaus hiervon alle Kondiktionsansprüche der Mieter:innen gegen Vermieter:innen erfasst sind (5 Ob 160/07a). Nach ständiger Rspr verjährt sogar der Anspruch einer kreditschuldenden Person auf Rückzahlung zu viel gezahlter Zinsen nach drei Jahren (RS0117773). Die äußerst „kreative“ und umstrittene Argumentation des OGH (4 Ob 73/03v), der explizit auch die Vermeidung einer (gleichfalls im hiesigen Kontext drohenden) „Flut von Prozessen“ vor Augen hatte, stützt sich dabei auf eine Rechtsanalogie zu einerseits der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1480 ABGB, die bei finanziellen Leistungen aus Dauerschuldverhältnissen (wie hier) zum Tragen kommen und andererseits zu § 27 Abs 3 MRG (!). Es verbleibt (für den OGH) wohl keine vernünftige Alternative, als seine bisherige Rspr auch auf den vorliegenden Fall zu extrapolieren.

5. Dezember 2023


Richard Maria Raphael Eibl, LL.M.

ist Gründer und Geschäftsführer der Prozessfinanzallianz GmbH, die mit den Marken "Mietheld" und "Padronus" gerichtliche Sammelverfahren für eine Erfolgsprovision des erstrittenen Rückforderungsbetrages finanziert. In den Medien gibt er regelmäßig Kommentare zu aktuellen rechtlichen Fragestellungen ab.  


© privat

 

Literatur zum Thema

Grundrechtliche Grenzen des Lockdowns

Sind Massenquarantäne und Impfdiskriminierung verfassungswidrig?

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Veröffentlicht 2021
von Richard Maria Raphael Eibl bei facultas
ISBN: 978-3-7089-2227-0

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