Volltextsuche nutzen

B O O K SCREENER

Aktuelle Veranstaltungen

Events
  • versandkostenfrei ab € 30,–
  • 6x in Wien und Salzburg
  • 6 Mio. Bücher
Menü

Der Anschlag in Prag vom 21. Dezember 2023: Eine Auseinandersetzung mit dem aktuellen Waffenrecht in Österreich

Beitrag von Dr. Katharina Armbruster und Mag. Marek Sitner


Der folgende Artikel beleuchtet den Erwerb und das Mitführen von Schusswaffen im Hinblick auf die aktuelle österreichische Rechtslage und im Folgenden wird von den Autoren unter einem die Frage aufgegriffen, ob der Gesetzgeber jene Waffentypen, welche im Anschlag von Prag verwendet wurden, ausreichenden Schutz- und Kontrollbestimmungen unterworfen hat.


1. Der Anschlag von Prag

Am 21. Dezember 2023 wurden an der Karls-Universität in Prag von einem mutmaßlichen Attentäter 14 Menschen erschossen und 25 weitere zum Teil schwer verletzt. Dieser verwendete  augenscheinlich primär ein halbautomatisches Gewehr vom Typ AR-15, wobei auch zahlreiche andere Waffen, darunter eine Klein-Maschinenpistole vom Typ Skorpion 61, sichergestellt werden konnten. Insgesamt trug der präsumtive Täter am Vorfallstag acht Schusswaffen bei sich.

Medienberichten zufolge wurden alle Waffen im Sinne der entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vorschriften erworben und dies führte in der Tschechischen Republik zu einer Diskussion über eine mögliche Verschärfung der geltenden Rechtslage im Hinblick auf den Erwerb und das Mitführen von Schusswaffen.


2. Rechtsgrundlagen des österreichischen Waffenrechts

Das österreichische Waffenrecht findet sich nicht nur im Waffengesetz, sondern auch in zahlreichen Bundesgesetzen und Verordnungen und sogar Handelsverträgen. Zu denken ist etwa an die Beschussverordnung, die Kriegsmaterial-Verordnung und die EU-Feuerwaffenverordnung. In Folge wird jedoch primär auf das Waffengesetz 1996 (BGBl 12/1997, zuletzt geändert durch das BGBl 211/2021) eingegangen, welches nicht nur Waffen sowie Schusswaffen an sich definiert (vgl. § 1 leg. cit.), sondern auch Kategorien von Waffen festgelegt (vgl. § 17 leg. cit.) und für jede Kategorie entsprechende Voraussetzungen für das Erwerben und Führen normiert.

Waffen im Sinne des § 1 WaffG 1996 sind Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen oder bei der Jagd oder beim Schießsport zur Abgabe von Schüssen verwendet zu werden. Schusswaffen sind hingegen Waffen, mit denen feste Körper (Geschosse) durch einen Lauf in eine bestimmbare Richtung verschossen werden können.

3. Grundsätzliche Waffenbesitzverbote nach dem WaffG 1996

§ 11 Absatz 1 WaffG 1996 normiert, dass der Besitz von Waffen, Knallpatronen und Munition für Menschen unter 18 Jahren grundsätzlich verboten ist, wobei gemäß Absatz 2 auf Antrag des gesetzlichen Vertreters Ausnahmen für Menschen nach Vollendung des 16. Lebensjahres im Hinblick auf Schusswaffen der Kategorie C erteilt werden können, sofern die Waffe für jagdliche oder sportliche  Zwecke gebraucht werden soll und der Jugendliche verlässlich und reif genug ist, die mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren einzusehen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Ohne entsprechenden Antrag dürfen auch Jugendliche nach Vollendung des 16. Lebensjahres Waffen und Munition im Rahmen einer entsprechender beruflicher Ausbildung eines anerkannten Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses verwendet werden. Damit legt der Gesetzgeber eine erste Grenze für das Besitzen von Waffen fest. 

Darüber hinaus darf eine Waffe nicht besessen werden, wenn ein Waffenverbot gemäß § 12 WaffG 1996 ausgesprochen wurde. Dieses ist zu auszusprechen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. Bestimmte Tatsachen liegen jedenfalls bei einer Verurteilung wegen § 278b bis § 278g oder § 282a StGB, daher bei terroristischen Straftaten, vor. Bei Gefahr in Verzug kann ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen werden.

Für die weitere Einordnung der Voraussetzungen für das Besitzen und Mitführen von Waffen unterteilt der Gesetzgeber diese in drei Kategorien (A, B und C). Durch die Novelle BGBl 97/2018 wurde die bis dahin geltende Kategorie D gestrichen.

4. Die einzelnen Waffenkategorien und die Einordnung der Prag verwendeten Schusswaffen

Unter Kategorie A (§ 17ff WaffG 1996) sind verbotene Schusswaffen und Schusswaffen, welche Kriegsmaterial sind, zu subsumieren. Darunter sind etwa Pumpguns, Flinten mit einer Gesamtlänge von 90cm oder mit einer Lauflänge von weniger als 45cm und getarnte Schusswaffen zu verstehen. Der Erwerb und das Führen von Waffen der Kategorie A, sohin also von verbotenen Schusswaffen und Kriegsmaterial ist unter ganz strengen gesetzlichen Bedingungen bei berechtigtem Interesse eine behördliche Ausnahme für Waffen der Kategorie A erteilt werden. Die vom mutmaßlichen Attentäter von Prag verwendete Maschinenpistole vom Typ Skorpion 61 würde in Österreich unter die Kategorie A, nämlich als Kriegsmaterial, subsumiert werden.

Waffen der Kategorie B (§ 19ff WaffG 1996) sind Faustfeuerwaffen, Repetierflingen und halbautomatische Schusswaffen, die nicht Kriegsmaterial oder verbotene Waffen sind. Oben wurde bereits angeführt, dass der mutmaßliche Attentäter von Prag auch ein halbautomatisches Gewehr des Typs AR-15 bei sich trug und dieses verwendete. Ein solches Gewehr würde in Österreich unter die Kategorie B subsumiert werden.

Der Erwerb und gegebenenfalls das Führen von Waffen dieser Kategorie ist nur aufgrund einer behördlichen Bewilligung gemäß § 21 WaffG 1996 zulässig. Darunter ist eine Waffenbesitzkarte (zum Erwerben und Besitzen) bzw. ein Waffenpass (zusätzlich zum Führen) zu verstehen.

Voraussetzung für eine Waffenbesitzkarte ist ein Mindestalter von 21 Jahren, die Glaubhaftmachung einer Rechtfertigung für den Besitz einer Waffe der Kategorie B (etwa für Zwecke der Selbstverteidigung innerhalb von Wohn- und Betriebsräumen sowie eingefriedeten Liegenschaften), ein einschlägiges psychologisches Gutachten sowie eine Schulungsbestätigung eines Waffenhändlers/einer Waffenhändlerin.

Ein Waffenpass unterscheidet sich von einer Waffenbesitzkarte dadurch, dass zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen der/die Antragsteller:in glaubhaft machen muss, dass er/sie auch außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen sowie eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, welche das Führen einer Waffe der Kategorie B erfordert. Zusätzlich muss der Erwerb von Waffen der Kategorie B durch einen Fachhandel behördlich gemeldet werden. Die behördliche Meldung hat auch bei einem Erwerb von einer Privatperson zu erfolgen.

Schusswaffen, welche nicht unter die Kategorie A oder B fallen (etwa Schusswaffen mit gezogenem Lauf, Repetierbüchsten etc.) unterliegen der Kategorie C. Der Erwerb Waffen dieser Kategorie steht jeder Person ab einem Alter von 18 Jahren frei. Lediglich eine Wartefrist von 3 Tagen zwischen Erwerb und Übernahme der Waffe muss berücksichtigt werden, wobei diese bei Jagdkartenbesitzern, Waffenbesitzkarten-Inhaber:innen und Waffenpass-Inhaber:innen entfällt. Beim Erwerb (unabhängig, ob zwischen Privatpersonen oder vom Fachhandel) muss jedoch binnen sechs Wochen über eine Fachhandlung eine Registrierung durchgeführt werden. Das Führen von Waffen dieser Kategorie ist jedoch ebenfalls an das Vorhandensein einer Jagdkarte oder eines Waffenpasses gebunden.

5. Exkurs: Meldepflicht der Gewerbetreibenden

Die Gewerbetreibenden trifft jedenfalls die Pflicht, Sicherheitsbehörden in Kenntnis zu setzen, wenn der dringende Verdacht besteht, der Erwerber einer Schusswaffe würde diese zur Begehung von strafbaren Handlungen verwenden. Wird eine solche Meldung an die Sicherheitsbehörden unterlassen, so läge grundsätzlich ein Verstoß gegen das WaffG 1996 vor. Darüber hinaus könnte dieses Verhalten auch das Delikt des „Unterlassens der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung“ (§ 286 StGB) erfüllen oder im weitesten Fall sogar eine Beitragshaftung (aufgrund einer möglichen Garantenstellung) zum vom Täter begangenen Delikt durch Unterlassen begründen. 

6. Zusammenfassende Einschätzung 

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass Waffen jeder Waffenkategorie gesetzlich geregelt sind, weshalb sogar Schusswaffen der Kategorie C einer Registrierungspflicht und einer behördlichen Kontrolle unterliegen und damit nachverfolgt werden können.

Eine vom mutmaßlichen Täter von Prag verwendete Waffe, das Maschinengewehr vom Typ Skorpion, könnte in Österreich von Privatpersonen nur unter ganz engen Auflagen legal besessen werden, da es sich um Kriegsmaterial handelt. Die zweite vom mutmaßlichen Täter verwendete Schusswaffe des Typs AK-15 würde in Österreich unter die Kategorie B fallen und wäre daher an den Besitz einer Waffenbesitzkarte oder eines Waffenpasses gebunden.

In Österreich wäre daher der Besitz und darüber hinaus das Führen der augenscheinlich in Prag verwendeten Schusswaffen kaum bzw. nur unter strengen behördlichen Auflagen und Voraussetzungen denkbar, weshalb zumindest ein unbemerkter Besitz nur schwer möglich wäre.

Das Waffenrecht unterliegt darüber hinaus regelmäßigen Anpassungen und Änderungen, da die Fülle an unterschiedlichen Waffengattungen und Waffentypen den Gesetzgeber immer wieder herausfordern. 

Ob das derzeit geltende Waffenrecht ausreichend ist, um Anschläge, wie jenen in Prag, zu verhindern, kann seitens der Autoren jedoch nicht abschließend beurteilt werden. Hierbei wird auch auf den Anschlag in Wien vom 02. November 2020 mit vier Todesopfern und zahlreichen Verletzten verwiesen. Anlässlich dieses Attentats wurden vom Täter illegal erworbene Schusswaffen verwendet und ist daher mehr als fraglich, ob eine entsprechende Verschärfung des Waffenrechts den Erwerb von Waffen und einen dadurch begangenen Angriff zuverlässig verhindern könnte.

6. Februar 2024


Dr. Katharina Armbruster

arbeitete und promovierte am Institut für Strafrecht und Kriminologie in Wien. Sie ist Juristin in einem internationalen Konzern sowie Vortragende mit Schwerpunkt Arbeits- und Strafrecht, Lektorin an der FH Campus Wien und Leiterin des Instituts „Jus-Support“. Sie publizierte u.a. die Lehrbehelfe „Starthilfe Strafrecht“ und „Starthilfe Strafprozess“ sowie zahlreiche Fachartikel. 


Mag. Marek Sitner

studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien, absolvierte sein Gerichtsjahr unter anderem bei der Staatsanwaltschaft, ist Gründer von „Jus-Starthilfe“, Autor, Kolumnist sowie Vortragender. Darüber hinaus arbeitete er mehr als zehn Jahre lang in renommierten Wiener Anwaltskanzleien und begleitete zahlreiche Mandantinnen und Mandanten in, teilweise medial begleiteten, Gerichtsprozessen in ganz Österreich. 


Foto: Privat

 

Foto: Privat

 

Literatur zum Thema

Starthilfe Strafrecht

Allgemeiner Teil I 80 Kurzfälle samt Lösungen Exkurse für Fortgeschrittene

Starthilfe Strafrecht

Veröffentlicht 2020
von Katharina Köberl, Marek Sitner bei facultas
ISBN: 978-3-7089-2039-9

Das vorliegende Lehrbuch bietet einen Überblick über Systematik und Inhalt des österreichischen Strafrechts. Die komprimierte Darstellung ermöglicht gleichsam einen raschen Zugang und einen kompakten Überblick. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf konkreten Beispielen, welche den Lesern das ...

Starthilfe Strafprozess

manual

Starthilfe Strafprozess

Veröffentlicht 2024
von Katharina Köberl, Marek Sitner bei facultas
ISBN: 978-3-7089-2162-4

Starthilfe Strafprozess bringt Studierenden anhand einer Vielzahl an Fallbeispielen die Materie des Strafprozessrechts näher. Übung des Gelernten und Sicherheit im Lösen der Fälle stehen im Vordergrund. Inhaltlich werden zunächst die wichtigsten Bestimmungen der StPO, des JGG und des SMG ...

FlexLex Strafrecht │Studium

Fassung vom 15.1.2024

FlexLex Strafrecht │Studium

Veröffentlicht 2024
von Katharina Armbruster, Marek Sitner bei facultas / FlexLex
ISBN: 978-3-99071-304-4

Alle FlexLex Vorteile auf einen Blick: • Print & Digital auf allen mobilen Endgeräten nutzbar • E-Mail-Benachrichtigung bei jeder Gesetzesänderung • Stichtagsabfrage & Fassungsvergleich für registrierte Nutzer:innen Die vorliegende Gesetzessammlung präsentiert nicht nur die essentiellen ...

Strafrecht Allgemeiner Teil I

Grundlagen und Lehre von der Straftat

Strafrecht Allgemeiner Teil I

Veröffentlicht 2020
von Stefan Seiler bei facultas
ISBN: 978-3-7089-1911-9

Das vorliegende Studienbuch zum Strafrecht Allgemeiner Teil I vermittelt das Grundlagenwissen zum Strafrecht. Es werden die Aufbauelemente des Verbrechensbegriffs erläutert. Die Ausführungen zu den einzelnen Bereichen stützen sich auf die herrschende Rechtsprechung. Zu strittigen Punkten werden ...

Strafrecht Allgemeiner Teil II

Lehre von den Verbrechensfolgen mit dem Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 ab 1. März 2023

Strafrecht Allgemeiner Teil II

Veröffentlicht 2023
von Oskar Maleczky bei facultas
ISBN: 978-3-7089-2358-1

Der Band stellt kurz und übersichtlich mit zahlreichen Beispielen und Angaben zur Judikatur die dogmatischen Aspekte des Allgemeinen Teils II des Strafrechts dar und eignet sich dadurch besonders für die Prüfungsvorbereitung. Praktikern erlaubt das Buch einen schnellen und übersichtlichen ...

Strafrecht Besonderer Teil I

§§ 75 – 168g StGB

Strafrecht Besonderer Teil I

Veröffentlicht 2022
von Alois Birklbauer, Marianne Johanna Lehmkuhl, Alexander Tipold bei facultas
ISBN: 978-3-7089-2296-6

Das Lehrbuch vermittelt einen Überblick über die §§ 75 – 168g StGB, wobei es sich primär an Studierende richtet. Der Schwerpunkt liegt bei jenen strafbaren Handlungen, die von hoher praktischer Bedeutung und üblicherweise Gegenstand der juristischen Strafrechtsprüfungen sind. Im ...

Strafrecht Besonderer Teil II

§§ 169 bis 321k StGB

Strafrecht Besonderer Teil II

Veröffentlicht 2022
von Hubert Hinterhofer, Christian Rosbaud bei facultas
ISBN: 978-3-7089-1865-5

Das Lehrbuch behandelt die §§ 169 bis 321k StGB in der Fassung des BGBl I 2021/201 (Umsetzung der RL Betrug und Fälschung iZm unbaren Zahlungsmitteln). Es ist nunmehr auf dem Stand 1.6.2022. Das Lehrbuch folgt einem einheitlichen didaktischen Konzept: Jedem Delikt ist ein Überblick ...