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Zankl.update im Juli 2023

Beitrag von ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfang Zankl

Diese Ausgabe behandelt die neueste Judikatur des OGH zu den Themen:

- Hunde müssen ordnungsgemäß verwahrt werden

- Gewährleistungsverzicht beim Wohnungskauf

- Unleidliches Verhalten psychisch kranker Mieter

- Auftragsvertrag oder Freundschaftsdienst?


Hunde müssen ordnungsgemäß verwahrt werden 

Hunde müssen ordnungsgemäß verwahrt werdenDie Klägerin fuhr mit dem Rad einen Güterweg entlang, als ein Hund bellend auf sie zulief. Die Radfahrerin wich aus Angst aus und kam ohne vorangehenden Kontakt mit dem Hund zu Sturz. Die Klägerin begehrte daraufhin Schadenersatz für ihre Verletzungen. Ihrer Meinung nach trifft sie kein Mitverschulden, da ihr Ausweichmanöver eine entschuldbare Schreckreaktion gewesen sei. Die Vorinstanzen waren derselben Ansicht. Sie bejahten die Haftung der beklagten Hundehalterin nach § 1320 ABGB, da das Tier nicht angeleint und gänzlich unbeaufsichtigt vor dem Gehöft der Beklagten herumlief. Die Beklagte entgegnete, dass nicht einmal klar sei, ob der Hund sich zum Unfallzeitpunkt schon auf der Straße oder noch auf dem angrenzenden Grünstreifen befunden hatte. Die ordnungsgemäße Verwahrung des Tieres konnte die Halterin jedoch nicht beweisen.
Der Oberste Gerichtshof nahm die Hundehalterin in die Pflicht. Grundsätzlich führte der OGH aus, dass die Haftung gemäß § 1320 Satz 2 ABGB voraussetzt, dass der eingetretene Schaden auf die besondere Tiergefahr zurückzuführen ist, der durch die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung des Tieres begegnet werden soll. Diese Gefahr könne sich auch unabhängig davon, wo genau sich der Hund zum Unfallzeitpunkt befand, verwirklicht haben. Die besondere Tiergefahr liegt nämlich genau darin, dass auch gutmütige Tiere durch ihre von Trieben und Instinkten gelenkten unkontrollierten Bewegungen Schaden stiften können. Betreffend die Reaktion der Klägerin erklärte der Oberste Gerichtshof: Wird ein Verkehrsteilnehmer bei einer plötzlich auftretenden Gefahr zu schnellem Handeln gezwungen und trifft er unter dem Eindruck dieser Gefahr eine rückblickend unrichtige Maßnahme, dann kann ihm dies nicht als Mitverschulden angerechnet werden. Eine solche Schreckreaktion ist insbesondere dann entschuldbar, wenn das ihr zugrunde liegende Ereignis plötzlich und völlig überraschend in einer derartig bedrohlichen Nähe eintritt, dass ein überstürztes Handeln erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund sei der Radfahrerin jedenfalls kein Mitverschulden anzulasten (2 Ob 71/23i).


Gewährleistungsverzicht beim Wohnungskauf

Die Käufer einer neuwertigen Wohnung machten gegen den privaten Verkäufer Gewährleistungsansprüche geltend. Grund dafür waren Baumängel, die bei der Besichtigung nicht erkennbar waren. Ein Schrankraum wurde bei der Errichtung zu gering gedämmt. Da dort auch eine Wärmebrücke bestand, trat ein massiver Schimmelbefall hinter einem Kasten auf. Die Schimmelfreiheit dieses Raums konnte aufgrund dieser Baumängel auch durch häufiges Lüften nicht sichergestellt werden. Aufgrund einer Klausel im Kaufvertrag über die Wohnung war der Verkäufer der Ansicht, dass seine Haftung vertraglich ausgeschlossen sei. Im Vertrag wurde Folgendes geregelt: „Die Käufer haben den Vertragsgegenstand vor Vertragsunterfertigung eingehend besichtigt und kennen daher dessen Art, Lage und äußere Beschaffenheit. Die Übergabe und Übernahme des Kaufgegenstandes erfolgt im bestehenden tatsächlichen Zustand desselben, ohne Haftung des Verkäufers für einen bestimmten Bau- oder Erhaltungszustand des Objektes oder eine sonstige bestimmte tatsächliche Eigenschaft oder Beschaffenheit der Liegenschaft.“ Das Erstgericht wies die Klage aufgrund dieses Haftungsausschlusses ab. Das Berufungsgericht sprach hingegen aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Ein umfassender Gewährleistungsverzicht beziehe sich grundsätzlich zwar auch auf „geheime“ Mängel. In diesem Fall sei die Vertragsbestimmung aber so auszulegen, dass für Mängel, die bei der Besichtigung nicht erkennbar gewesen sind, gehaftet werde.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidung der zweiten Instanz. In vergangenen Entscheidungen nahm der OGH an, dass die jeweilige Vertragsbestimmung nur die Gewährleistung für solche Mängel ausschließe, die für den Käufer bei einer sorgfältigen Besichtigung erkennbar gewesen wären. Dies folge daraus, dass der Haftungsausschluss jeweils mit dem Hinweis auf den dem Käufer bekannten Zustand der Liegenschaft und der ihm eingeräumten Gelegenheit zur Informationsbeschaffung durch deren Besichtigung in Verbindung stand. Das war auch hier der Fall. Für den inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Hinweis auf die Besichtigung und dem Haftungsausschluss ist nicht zwingend ein Verbindungswort, wie zum Beispiel demnach oder daher, erforderlich (1 Ob 79/23h).


Unleidliches Verhalten psychisch kranker Mieter

Die Beklagte in diesem Fall war eine Mieterin, die an paranoider Schizophrenie und Wahnvorstellungen leidet. Dieser Umstand veranlasste sie wiederholt Unrat, Essensreste, Wäsche, aber auch schwerere Gegenstände wie Flaschen und Teller aus ihrer Wohnung im vierten Stock auf den Gehsteig hinauszuwerfen. Aus diesem Grund sowie auch aufgrund der Verursachung nächtlichen Lärms erklärten die Vorinstanzen die auf § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG gestützte gerichtliche Aufkündigung des Mietvertrags für rechtswirksam. Außerdem verpflichteten sie die Beklagte zur Räumung der gemieteten Wohnräume.
Der Oberste Gerichtshof sah in den Entscheidungen der Vorinstanzen keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt. Es kommt eben nicht darauf an, ob den Mieter ein Verschulden trifft, sondern darauf, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa wie in diesem Fall auf eine geistige Erkrankung zurückgeführt werden kann. Auch eine durchgeführte Zukunftsprognose fiel für die Beklagte negativ aus. Nach der Aufkündigung des Mietverhältnisses hatte sich das unleidliche Verhalten der Mieterin zwar gebessert, wurde jedoch nicht völlig eingestellt. Dass daher eine Wiederholung der bisherigen Unzulänglichkeiten ausgeschlossen wäre, steht gerade nicht fest (2 Ob 62/23s).


Auftragsvertrag oder Freundschaftsdienst?

Über Vermittlung der Klägerin erwarb der Erstbeklagte, welcher der Vater der Zweitbeklagten ist, das Pferd „Lolli“ für die Zweitbeklagte. Die Klägerin und die gleichaltrige Zweitbeklagte, die damals 17 Jahre alt waren, sind seit ihrer Kindheit passionierte Reiterinnen, jahrelange enge Freundinnen und als Nachbarinnen zusammen aufgewachsen. Als die Zweitbeklagte Urlaub machte, gewährleistete das Gestüt die Grundversorgung für das Pferd. Die Zweitbeklagte ersuchte die Klägerin, die notwendige Zusatzbetreuung (bewegen, putzen, reiten, auf die Koppel führen, Zusatzfutter, etc) für das Pferd zu übernehmen, zumal die Klägerin am gleichen Gestüt ein eigenes Pferd hatte. Die Klägerin stimmte zu, die erbetenen Aufgaben zu übernehmen, und meinte diese Zusage auch verbindlich. Wegen der Freundschaft zur Zweitbeklagten übernahm die damals 17-jährige Klägerin die zusätzlichen Aufgaben unentgeltlich. Die Zweitbeklagte hat sich darauf verlassen, dass die Klägerin diese Tätigkeiten vornimmt. Das Pferd war von seinem Charakter her unauffällig und ein gemütliches, umgängliches und braves Tier. Weil es zu der Zeit, als die Zweitbeklagte auf Urlaub war, lahmte, konnte es nicht geritten werden. Die Klägerin führte es daher nur für 1,5 Stunden zum Grasen, was ohne Probleme funktionierte. Das wollte sie am nächsten Tag wiederholen, dabei wurde sie vom ausschlagenden Pferd im Gesicht schwer verletzt, als sie dieses vom Grasen zurück in den Stall führte. Die Klägerin begehrt von den Beklagten aus dem von ihr behaupteten Auftragsvertrag Schadenersatz (Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Heilungskosten, Ersatz für Pflegeaufwand) und die Feststellung ihrer Haftung für zukünftige Schäden. Ihre Ansprüche stützte sie auf die unmittelbare und auch die analoge Anwendung des § 1014 ABGB. Der Erstbeklagte hafte als Eigentümer und Halter des Pferdes zum Zeitpunkt des Schadenseintritts. Die Zweitbeklagte hafte als Auftraggeberin. Die Leistungen seien im Interesse der Beklagten erbracht worden, weil sie in diesem Zeitpunkt die Leistung nicht selbst erbringen haben müssen. Die Klägerin argumentierte, dass § 1014 ABGB auch für unentgeltliche „Freundschaftsdienste” anwendbar sei. In § 1014 ABGB komme das allgemeine Prinzip der „Risikohaftung bei Tätigkeit in fremdem Interesse” zum Ausdruck. Die Beklagten wandten unter anderem ein, dass ein Auftrag bzw eine Geschäftsbesorgung iSd §§ 1002 ff ABGB nicht vorgelegen sei, sodass die Klägerin nicht zu einem bestimmten Tun verpflichtet gewesen sei. § 1014 ABGB sei weder unmittelbar noch analog anwendbar. Die Tätigkeiten der Klägerin seien als Gefälligkeitsleistungen zu qualifizieren, ohne dass sich die Beteiligten rechtsgeschäftlich binden wollten. Mangels vertraglicher Grundlage sei der Haftungstatbestand des § 1014 ABGB nicht anzuwenden. Auch eine Analogie scheide aus. Das Erstgericht wies die Klage gegen den Vater ab. Denn er habe das Pferd schon vor dem Unfall seiner Tochter geschenkt gehabt. Das Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte erkannte das Gericht als dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Es liege nämlich ein Auftragsverhältnis iSd § 1002 ABGB vor. Die Verletzte habe Aufgaben erledigt, die ausschließlich im Interesse der Zweitbeklagten lagen. Letztere habe daher die Risiken des Auftrags zu tragen und die Verunfallte zu entschädigen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin und die Zweitbeklagte mit ihrer Verabredung zur Urlaubspflege des Pferdes rechtliche Wirkungen auslösen wollten, die erforderlichenfalls mit behördlichem Zwang durchgesetzt werden könnten. Vielmehr habe es sich um einen Freundschaftsdienst mit lediglich sozialer Wirkung gehandelt. Zudem stehe einem rechtswirksamen Rechtsgeschäft die Minderjährigkeit der Klägerin und der Zweitbeklagten entgegen. Sowohl eine analoge Anwendung von § 1014 ABGB als auch die Berufung auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag scheide aus. Letzteres, da sie aufgrund ausdrücklichen Ersuchens der Zweitbeklagten gehandelt habe.
Der Oberste Gerichtshof erkannte, dass die Revision hinsichtlich der Klage gegen die Zweitbeklagte berechtigt ist, bezüglich des Erstbeklagten jedoch nicht. Ob der Erstbeklagte seiner Tochter das Pferd zum Unfallzeitpunkt wirklich schon geschenkt hatte, sei nicht ausschlaggebend. Unabhängig davon habe der Vater die Klägerin nämlich jedenfalls nicht mit der Aufgabe, sich um das Pferd zu kümmern, betraut. Bezüglich des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten erkannte der OGH, dass das Erstgericht zutreffend von einem Vertrag zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten ausgegangen ist. Die Vereinbarung der beiden Freundinnen gehe über eine bloß unverbindliche und jederzeit widerrufliche Gefälligkeit hinaus. Beiden sei klar gewesen, dass es sich um eine verbindliche Zusage handle. Nur weil die Klägerin fix zugesagt hatte, sich ums Pferd zu kümmern, habe die Zweitbeklagte schließlich ihren Urlaub antreten können. Dem steht wegen § 170 Abs 1 ABGB die Minderjährigkeit der Beteiligten nicht entgegen. Ihre gesetzlichen Vertreter hatten der Betreuung des Pferdes zugestimmt. Auf das Vertragsverhältnis ist § 1014 ABGB analog anwendbar, der im Anlassfall die geltend gemachten Personenschäden umfasst (2 Ob 91/23f).

Alle monatlichen Zankl.updates auf einen Blick finden Sie hier: https://www.facultas.at/verlag/rws/zankl_update

5. Juli 2023



ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Zankl

ist Universitätsprofessor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien (www.zankl.at), Gründer und Direktor des weltweiten Netzwerks für IT-Recht (www.e-center.eu), Entwickler und Leiter der ersten juristischen Crowd-Intelligence-Plattform (www.checkmycase.com) und Foundation Member der Computer Ethics Society Hong Kong.

 © Privat

 

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