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Zankl.update im Juni 2023

Beitrag von ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfang Zankl

Diese Ausgabe behandelt die neueste Judikatur des OGH zu den Themen:

- „Mangelhaftes“ Lüften berechtigt nicht zur Kündigung 

- Im Wald muss man sich mit Bäumen abfinden 

- Kein Anspruch auf Schadenersatz bei leicht erkennbaren Gefahren 

- Die Rolle der Haustiere im nachehelichen Aufteilungsverfahren


„Mangelhaftes“ Lüften berechtigt nicht zur Kündigung 

Nachdem in einer neu errichteten Reihenhauswohnung bereits kurz nach Übergabe immer wieder Schimmel aufgetreten war, forderte der Vermieter die Mieterin und ihre Familie wiederholt auf, ihr „falsches Nutzerverhalten“ einzustellen und regelmäßiger zu lüften. Schließlich kündigte er die Wohnung nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG wegen erheblich nachteiligen Gebrauchs des Mietgegenstands auf. Die Beklagte habe, obwohl sie wiederholt auf die Einhaltung des notwendigen Lüftungsverhaltens hingewiesen worden sei, über längere Zeit hinweg gravierendes unsachgemäßes, unrichtiges und unübliches Heizungs- und Lüftungsverhalten bzw Nutzungsfehlverhalten an den Tag gelegt, sodass es in der Wohnung zu warm und zu feucht geworden sei. Unterlassung des gebotenen Lüftens und zu starkes Heizen hätten zu Schimmelbildung geführt, ein Baumangel habe im gesamten Zeitraum ausgeschlossen werden können. Die Beklagte beantragte die Aufhebung der Kündigung und wandte ein, nicht sie sei für bereits unmittelbar nach Bezug der Wohnung aufgetretene Nässeschäden und Schimmelbildungen verantwortlich, sondern diese seien durch bauliche Mängel verursacht. Sie habe während der gesamten Nutzungsdauer ein normales Nutzungsverhalten an den Tag gelegt und insbesondere wie empfohlen regelmäßig gelüftet. Die Vorinstanzen gaben der Aufkündigung statt. Ihrer Meinung nach hätte ein vertrauenswürdiger Durchschnittsmieter keinesfalls nur ein bis zweimal täglich oder gar nicht gelüftet.
Der Oberste Gerichtshof hob die Aufkündigung wiederum auf und wies das Räumungsbegehren des Vermieters ab. Der OGH judizierte, dass eine Wohnung zum Wohnen vermietet wird und nicht zum Trockenlegen des Gebäudes. Atmen, von Stoßlüften nicht unterbrochenes nächtliches mehrstündiges Durchschlafen, Duschen und Baden, Kochen, Waschen, Trocknen der Wäsche der Wohnungsbewohner, das Verwenden von Vorhängen, das Aufstellen von Sitzgelegenheiten, Sofas oder Sitzgarnituren, Einbaumöbeln oder sonstigen Möbeln an dem Mieter genehmen Stellen, einschließlich Außenwänden: All das gehört grundsätzlich zur bedungenen Nutzung einer Wohnung, die eben zu Wohnzwecken ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wäre zur Beseitigung der Feuchte ein Querlüften alle drei bis vier Stunden für fünf bis zehn Minuten erforderlich, also ein sechs- bis achtmaliges Lüften pro Tag. Eine dafür notwendige tägliche Präsenz des Mieters zwecks Stoßlüftens ist schon wegen im Rahmen des § 30 Abs 2 Z 6 MRG zulässiger Abwesenheit nicht geboten, sodass auch das tageweise gänzliche Unterbleiben des Lüftens den Kündigungsgrund grundsätzlich nicht verwirklicht (4 Ob 2/23g).


Im Wald muss man sich mit Bäumen abfinden

Die Klägerin hatte 2014 eine mittelalterliche Burganlage mitten im Wald erworben, der zu diesem Zeitpunkt bereits jahrzehntelang teils bis an die Burgmauern herangewachsen war. Die umstehenden Bäume waren schon beim Ankauf zwanzig Meter hoch, einzelne Bäume noch höher. Seit die Klägerin Eigentümerin ist, ist der umliegende Waldbestand aufgrund des natürlichen Wachstums teils bis zu dreißig Meter hoch geworden. Laut dem Klagebegehren habe der Forstwirt es zu unterlassen, in einer das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitenden und die Benützung des Grundstücks der Klägerin „wesentlich“ beeinträchtigenden Weise dieses „zu beschatten oder ähnliche Handlungen zu setzen, dies insbesondere durch Aufzucht von sehr hohen Bäumen an der unmittelbaren Grundstücksgrenze“. Die Vorinstanzen legten die nachbarrechtlichen Grundsätze zum § 364 Abs 3 ABGB dar. Demnach kann ein Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das (im Sinne des Abs 2 leg cit) nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen. Trotzdem wiesen die Vorinstanzen übereinstimmend das Klagebegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof teilte die Ansicht der Vorinstanzen. Dass sich neu hinzukommende Nachbarn mit der im Gebiet vorherrschenden Immission abfinden müssen, entspricht demnach ständiger Rechtsprechung. Jemand, der ein Grundstück samt Gebäude mitten im Wald erworben hat, kann nicht auf § 364 Abs 3 ABGB gestützt die Beseitigung des Waldes fordern. Der OGH lehnte auch das Vorbringen der Klägerin ab, wonach sie nicht mit „unbegrenztem Wachstum“ der Bäume bis zur „maximalen Wuchshöhe“ habe rechnen müssen. Sonderfälle wie etwa die Gefährdung von Personen und Sachen durch Starkastüberhänge infolge mangelhafter Pflege des Baumbestandes oder eine unbegrenzte waldwuchsartige Verwilderung in einem zuvor mit Jungbäumen gartenmäßig gestalteten geschlossenen Siedlungsgebiet lagen hier nicht vor (4 Ob 44/23h).


Kein Anspruch auf Schadenersatz bei leicht erkennbaren Gefahren

Die Beklagte ist Halterin einer regelmäßig gewarteten, in gut sichtbarer, gelber Farbe gestrichenen Schrankenanlage einer auch durch Betonblöcke abgegrenzten Taxizufahrt im Bereich eines Bahnhofsvorplatzes. Der Schrankenbaum ist gelb-schwarz schraffiert. Bei Annäherung an die Schrankenanlage besteht keine Sichtbehinderung, sodass diese leicht erkennbar ist. Auf dem Ständer der Schrankenanlage befinden sich auf beiden Seiten Schilder mit der Aufschrift „Achtung! Automatische Schrankenanlage“. Weiters wird mit darauf abgebildeten Piktogrammen in Form von Verbotsschildern auf das Verbot der Benutzung durch Fußgänger, Radfahrer, Scooter- und Motorradfahrer hingewiesen. Diese Schilder sind in einer Größe, dass sie jedenfalls rechtzeitig vor Erreichen der Schrankenanlage inhaltlich wahrgenommen werden können. Ohne den Bereich vor ihr zu beobachten, näherte sich die Klägerin genau dieser Schrankenanlage. Da sie die Anlage nicht wahrnahm, wurde sie bei dem Durchschreiten der geöffneten Schrankenanlage vom sich senkenden Schrankbaum verletzt. Die Vorinstanzen verneinten eine Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB, da die Klägerin keinen Nachweis der Mangelhaftigkeit der Anlage erbringen konnte. Der Oberste Gerichtshof teilte diese Ansicht. Grundsätzlich führte er aus, dass ein sich automatisch absenkender Schranken als Werk im Sinn des § 1319 ABGB gilt. Darüber hinaus erklärte der OGH, dass § 1319 ABGB ein speziell geregelter Tatbestand der allgemein anerkannten Verkehrssicherungspflichten ist. Eine solche entfällt aber, wenn sich jeder selbst schützen kann, da die Gefahr leicht erkennbar ist. Dies betrifft Konstellationen, in denen die Gefahrenquelle bei objektiver Betrachtung einer durchschnittlich aufmerksamen Person sofort ins Auge fällt. Genau dieser Ausnahmetatbestand liegt laut dem Obersten Gerichtshof in diesem Fall vor. Durch die aufgestellten Warnschilder und die farbliche Kennzeichnung der Anlage entfallen allfällige Verkehrssicherungspflichten nach § 1319 ABGB. Die Klägerin hätte sich also in der leicht erkennbaren Gefahrenlage selbst schützen müssen (2 Ob 24/23b).


Die Rolle der Haustiere im nachehelichen Aufteilungsverfahren

Die Ehegatten strebten beide jeweils die Zuweisung einer gemeinsamen Liegenschaft mit einem als Ehewohnung genutzten Haus gegen Übernahme der damit verbundenen Kreditverbindlichkeiten an. Die Frau begründete ihr Begehren einerseits damit, dass sie aufgrund ihres psychisch schlechten Gesundheitszustands auf Verbleib im Haus angewiesen ist. Andererseits erklärte die Gattin, dass sie unter anderem aufgrund der von ihr gehaltenen Tiere (drei Hunde, zwei Katzen sowie Schildkröten) keine andere Wohnmöglichkeit habe. Sie könne sich die Übernahme der damit verbundenen Schulden und eine Ausgleichszahlung an den Mann leisten. Sowohl die erste als auch die zweite Instanz wiesen das Begehren der Frau ab und die Ehewohnung samt den mit ihr verbundenen Verbindlichkeiten dem Mann zu. Die Gerichte begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Frau die für das Haus zu leistende Ausgleichszahlung nicht aufbringen könnte. Mit der Frage, ob sie mehr als der Mann auf dieses angewiesen sei, setzten sie sich nicht auseinander.
Der Oberste Gerichtshof befand den Revisionsrekurs der Frau als zulässig und auch berechtigt. Allgemein führte der OGH aus: Gemäß § 83 Abs 1 EheG hat die Aufteilung nach Billigkeit zu erfolgen, um ein für beide Teile tragbares, den Umständen des Einzelfalls gerecht werdendes Ergebnis zu finden. Im Allgemeinen entspricht es der Billigkeit, dass die Ehewohnung bei grundsätzlich gleich gewichteten ehelichen Beiträgen demjenigen überlassen wird, der darauf mehr angewiesen ist. Dabei sind auch die jedem Ehegatten zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses sonst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu berücksichtigen. Es ist auch zu bedenken, welcher Ehegatte in der Lage wäre, eine bei Zuweisung der Ehewohnung zu leistende angemessene Ausgleichszahlung aufzubringen, würde es doch der Billigkeit widersprechen, diese jenem Teil zuzuweisen, der dazu auf keinen Fall in der Lage wäre. Dass der Mann die zur Finanzierung einer Ausgleichszahlung erforderlichen Mittel aufbringen könnte, beurteilte auch der OGH als unstrittig. Jedoch distanzierte er sich von der Einschätzung der Vorinstanzen, indem er die Finanzkraft der Frau als zu ungenau berechnet ansieht. Laut Vorinstanzen habe sie ein monatliches Einkommen von 2085 Euro, den Großteil davon aus einer Berufsunfähigkeitspension. Ungefähr 350 Euro gebe die Frau für die Versorgung ihrer Haustiere aus. Rund 1100 Euro benötige sie für ihre Lebensführung. Dann blieben noch um die 600 Euro über. Das sei für die Tilgung der Schulden von rund 128.000 Euro und die Ausgleichszahlung an den Mann zu wenig. Dass die Frau monatlich 1.100 EUR für ihre Lebensführung benötige, findet aber laut dem Obersten Gerichtshof ebenso wenig Deckung in den erstinstanzlichen Feststellungen wie die angenommenen Kosten für die Tierhaltung. Insgesamt fehlt es an Feststellungen dazu, welcher monatliche Betrag der Frau bei einer äußersten Einschränkung ihrer Lebensbedürfnisse verbliebe, um die von ihr zu übernehmenden Schulden für das Haus sowie eine Ausgleichszahlung für dieses zu finanzieren. Für eine Ausgleichszahlung sei es zudem zumutbar, einen Kredit zu nehmen. Doch auch dafür würden ausreichende Feststellungen fehlen. Falls die zukünftigen Ermittlungen ergeben, dass der Frau die Finanzierung zumutbar wäre, gehe es maßgeblich nur noch darum, wer mehr auf das Haus angewiesen ist. Ganz allgemein erfordert die Prüfung, ob ein Ehegatte mehr als der andere auf die Ehewohnung angewiesen ist, keine existenzielle Bedrohung. Vielmehr sind die Interessen beider Teile an dieser gegeneinander abzuwägen. Dass der Mann über eine andere Wohnmöglichkeit, die Frau hingegen über keine solche verfügt, ist unstrittig. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können ein weiteres schützenswertes Interesse an der Ehewohnung begründen, wobei zu den behaupteten psychischen Einschränkungen der Frau keine konkreten Feststellungen getroffen wurden. Auch die Betreuung der Haustiere wäre bei der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht außer Acht zu lassen. Diese offenen Fragen werden im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein (1 Ob 29/23f).

Alle monatlichen Zankl.updates auf einen Blick finden Sie hier: https://www.facultas.at/verlag/rws/zankl_update

24. Mai 2023



ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Zankl

ist Universitätsprofessor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien (www.zankl.at), Gründer und Direktor des weltweiten Netzwerks für IT-Recht (www.e-center.eu), Entwickler und Leiter der ersten juristischen Crowd-Intelligence-Plattform (www.checkmycase.com) und Foundation Member der Computer Ethics Society Hong Kong.

 © Privat

 

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