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Zankl.update im März 2023

Beitrag von ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfang Zankl

Diese Ausgabe behandelt die neueste Judikatur des OGH zu den Themen:

- Natürliches Rinnsal stellt keine unzulässige Immission dar

- Aufkündigung des Mietvertrags bei leichtfertig herbeigeführten Wasserschäden

- Keine GoA bei einvernehmlicher Pflege

- Eheverfehlungen nach Zerrüttung der Ehe sind unerheblich


Natürliches Rinnsal stellt keine unzulässige Immission dar 

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, die unter jener des Beklagten liegt. Ohne sein Zutun trat auf der Liegenschaft des Beklagten sauberes Grundwasser an die Oberfläche und bildete ein kleines Rinnsal, das anschließend wieder im Boden versickerte. In weiterer Folge trat es auf der Liegenschaft der Kläger wieder zutage, wo es deren Garten durchfeuchtete. Die Kläger begehrten den Beklagten schuldig zu sprechen, die Zuleitung von Wasser in Form eines Rinnsals von seinem Grundstück auf ihre Liegenschaft zu unterlassen. Das Erstgericht wies das Begehren mit der Begründung ab, man könne nicht feststellen, ob der Austritt des Rinnsals durch Maßnahmen des Beklagten verursacht worden ist. Die zweite Instanz bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts.
Der Oberste Gerichtshof war derselben Ansicht und führte weiter aus: Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von seinem Grund ausgehenden Einwirkungen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Eine unmittelbare Zuleitung ist „unter allen Umständen“ unzulässig. Das setzt voraus, dass der belangte Nachbar eine Veränderung der natürlichen Gegebenheiten seines Grundstücks vorgenommen hat, die zu Immissionen auf den Nachbargrund führten. Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundstücks ohne jegliches Zutun des Nachbars sind hinzunehmen. Anhaltspunkte dafür, dass der Wassereintritt am Grundstück der Kläger auf eine Änderung der natürlichen Gegebenheiten durch den Beklagten auf seinem Grundstück zurückzuführen wäre, liegen nach den dem OGH vorliegenden Feststellungen gerade nicht vor. Kein Grundstückseigentümer ist verpflichtet, den natürlichen Wasserablauf so zu verändern, damit das Wasser nicht auf ein (hangabwärts gelegenes) Grundstück gelangt. Daher kommt es auf die Frage, ob die Einwirkung durch solches Wasser, das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der betroffenen Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, nicht an. Denn selbst wenn das so wäre, hätten die Kläger das hinzunehmen, solange keine direkte Zuleitung vorliegt (1 Ob 245/22v).


Aufkündigung des Mietvertrags bei leichtfertig herbeigeführten Wasserschäden 

Die beklagte Mieterin verließ ihre Wohnung, obwohl die Brausearmatur noch aufgedreht und die Duschwanne verstopft war. Das hatte einen massiven Wasserschaden, vor allem in der darunter liegenden Wohnung zur Folge. Die klagende Vermieterin stütze sich bei der gerichtlichen Aufkündigung des Mietvertrags auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 1. Fall MRG, welcher den erheblich nachteiligen Gebrauch des Mietgegenstands formuliert. Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam. Die beklagte Partei habe jedenfalls den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs verwirklicht, indem sie die oben beschriebene Sorglosigkeit zum wiederholten Male an den Tag legte. 2017 ereignete sich nämlich ein vergleichbares Vorkommnis, doch wurde damals die Aufkündigung abgewiesen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beklagte, auch wenn sie sich aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ihres Verhaltens nicht bewusst sei, ist vertrauensunwürdig, sodass in Zukunft weitere derartige Verhaltensweisen, die gravierende Wasserschäden nach sich zögen, nicht ausgeschlossen werden könnten. Eine allfällige Interessenabwägung würde zulasten der Beklagten ausschlagen.
Der Oberste Gerichtshof stellte fest, dass nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist, ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch vorliegt. Davon ist hier laut dem OGH jedenfalls auszugehen. Der sorglose Umgang mit Wasser, wenn dadurch Wasserschäden drohen, stellt schon grundsätzlich einen nachteiligen Gebrauch dar. Es komme auch nicht darauf an, ob den Mieter ein Verschulden trifft, sondern darauf, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückgeführt werden kann (4 Ob 209/22x).

Keine GoA bei einvernehmlicher Pflege  

Die Streitteile in diesem Verfahren sind zwei Schwestern, deren Mutter vor einigen Jahren und deren Vater kürzlich verstorben sind. Der Nachlass nach dem Vater wurde den Streitteilen je zur Hälfte rechtskräftig eingeantwortet. Seit 2008 wurde der Vater von den Schwestern abwechselnd betreut und gepflegt. Ab Ende September 2013 pflegte und betreute die Klägerin den Vater allein, es kam danach zu keinen Leistungen der Beklagten. Als die Klägerin Ersatz für ihre Pflegeleistungen seit September 2013 forderte, hielt die beklagte Schwester dieser Forderung eine Gegenforderungen entgegen, nämlich für den Betreuungsaufwand in dem Zeitraum von Jänner 2008 bis September 2013. Genau um diese Gegenforderung drehte sich das vorliegende Verfahren. Die Beklagte konnte den von ihr compensando eingewandten Ersatz ihres Pflegeaufwands nicht auf die Bestimmungen über das Pflegevermächtnis (§§ 677 ff ABGB) stützen, weil sie ihren Vater in den letzten drei Jahren vor seinem Tod nicht mehr gepflegt hat. Genau das setzt aber ein Pflegevermächtnis nach §§ 677 ff ABGB voraus. Die Beklagte brachte darüber hinaus vor, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 1037 ABGB vorliege. Demnach seien die Pflegeleistungen der Beklagten zum klaren und überwiegenden Vorteil des Vaters erfolgt. Diesem sei durch ihre Hilfe eine Fremdpflege und die Heimunterbringung erspart geblieben. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die Gegenforderung der Beklagten auf § 1037 ABGB gestützt werden könnte. Wegen der umfangreichen Pflegeleistungen an den Vater sei von einem klaren, überwiegenden Vorteil auszugehen.
Der Oberste Gerichtshof entschied jedoch anders. Allgemein stellte er klar, dass es sich im Fall des § 1037 ABGB um eine Geschäftsführung ohne Auftrag handelt, welche zur Förderung des Nutzens des Geschäftsherrn erfolgt. Er hielt fest, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag im Anlassfall schon deshalb scheitern muss, weil die Beklagte bei der Pflege nicht eigenmächtig, sondern vielmehr im Einvernehmen mit dem Vater handelte. Eine „Einmengung in die Geschäfte eines anderen“ durch die Beklagte liegt nicht vor. Der Vater nahm nämlich die Leistungen seiner Tochter entgegen, weshalb damit auch das typische Unbeteiligtsein des Geschäftsherrn fehlte. Dass sich der Vater in einem Zustand befunden hat, in dem er nicht in der Lage war, über die Annahme der Leistung zu entscheiden, wurde weder behauptet noch festgestellt. Vielmehr brachte die Beklagte ausdrücklich vor, der Vater habe nicht in das Pflegeheim gewollt. Es sei ihm wichtig gewesen, dass sich beide Töchter um ihn kümmern, was sich aus der von ihm erteilten Generalvollmacht ergebe. Aufgrund seiner laufenden zustimmenden Entgegennahme der Pflegeleistungen finden die §§ 1035 ff ABGB keine Anwendung. Im Ergebnis konnte die Beklagte ihrer klagenden Schwester keine Gegenforderung entgegenhalten. Somit kam es zu keiner Aufrechnung und der Klägerin wurde voller Ersatz für ihre Pflegeleistungen zugesprochen (2 Ob 217/22h).

Eheverfehlungen nach Zerrüttung der Ehe sind unerheblich 

Gegenstand dieses Verfahrens war die Beurteilung des Verschuldens an der Zerrüttung einer Ehe nach derer gerichtlichen Scheidung. Kläger war der ehemalige Gatte, welchem die Vorinstanzen das überwiegende Verschulden anlasteten. Der Oberste Gerichtshof sah das nicht anders. Der Kläger habe sich schon vor Jahren kühl und distanziert gegenüber der Beklagten gegeben. Gegipfelt habe diese Haltung während der von der Beklagten (ohne Erfolg) vorgenommenen In-vitro-Fertilisationen darin, dass er sie in ihrem emotional sehr belasteten Zustand alleine ließ und sich nicht um sie kümmerte. Nachdem sich die Ehegatten aufgrund dessen trennten, unterhielten beide geschlechtliche Beziehungen mit anderen Personen. Bei einem Streit wenig später verletzte der Kläger die Beklagte am Daumen, setzte jene jedoch so lange unter Druck, bis sie die Anzeige wieder zurückzog. Trotz dieser Vorfälle näherten sich die Streitteile einander noch im selben Monat wieder an, verbrachten Zeit miteinander, hatten Geschlechtsverkehr und beschlossen „es noch einmal zu versuchen“. Dennoch gab der Kläger im darauf folgenden Monat vor, mit Freunden ein paar Tage Segeln zu gehen. Tatsächlich verbrachte er die Zeit mit einer anderen Frau in einem Wellnesshotel.
Der OGH sprach aus, dass ebendieser Hotelaufenthalt die Ehe schlussendlich unheilbar zerrüttet habe. Eine unheilbare Ehezerrüttung ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat. Eheverfehlungen, die nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangen werden, spielen bei der Beurteilung, welchen der beiden Ehegatten das überwiegende Verschulden trifft, keine entscheidende Rolle. Genau deswegen sind die Eheverfehlungen, vor allem der spätere Ehebruch und Auszug der Beklagten, welche der Kläger ins Treffen führte, unerheblich. Der Kläger sei daher am Ende der Ehe überwiegend schuld, nicht zuletzt aufgrund des erneuten Treue- und Vertrauensbruchs während des Versuchs eines Neubeginns (2 Ob 236/22b).

Alle monatlichen Zankl.updates auf einen Blick finden Sie hier: https://www.facultas.at/verlag/rws/zankl_update

28. Februar 2023



ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Zankl

ist Universitätsprofessor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien (www.zankl.at), Gründer und Direktor des weltweiten Netzwerks für IT-Recht (www.e-center.eu), Entwickler und Leiter der ersten juristischen Crowd-Intelligence-Plattform (www.checkmycase.com) und Foundation Member der Computer Ethics Society Hong Kong.

 © Privat

 

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