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Neue Judikatur im Zivilrecht

Beitrag von ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfang Zankl

Diese Ausgabe behandelt die neueste Judikatur des OGH zu den Themen:

- Schadenersatz? Gesundes Kind aufgrund Spiralenbruch

- Pflichtteilsminderung bei beidseitigem Kontakt-Desinteresse

- Mitwirkung im Abstammungsverfahren bei Demenz

- Obsorge bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern (Coronaimpfung)

Darüber hinaus werden zentrale Inhalte des „Digital Services Act (DSA)” sowie des „Digital Markets Act (DMA)” vorgestellt.


Schadenersatz? Gesundes Kind aufgrund Spiralenbruch:

Nachdem die Kläger, ein Ehepaar, nach der Geburt ihres zweiten Kindes ihre Familienplanung abgeschlossen hatten, ließ sich die Erstklägerin von ihrem Gynäkologen eine von der Beklagten hergestellte Spirale einsetzen. Rund drei Jahre später wurde die Erstklägerin dennoch schwanger und brachte daraufhin ein gesundes Kind zur Welt. Die Beklagte ist die Herstellerin eines kupferhaltigen Intrauterinpessars (Spirale), das zur Empfängnisverhütung Verwendung findet. Die Kläger brachten vor, die ungeplante Schwangerschaft sei aufgrund eines Bruchs der Spirale eingetreten, der auf einem von der Beklagten nach dem PHG zu vertretenden und Produktfehler beruhte. Die Beklagte habe das Verhütungsmittel als zuverlässig angepriesen, ohne auf ein Bruchrisiko hinzuweisen. Außerdem habe sie nach mehrmaligen Bruchvorfällen zu spät reagiert und eine Informationspflicht gegenüber Ärzten und Apotheken vernachlässigt. Die Erstklägerin begehrte Schmerzengeld für die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft und Geburt erlittenen Schmerzen sowie Auslagenersatz. Weiters beantragte sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftigen Folgeschäden der ungewollten Schwangerschaft und Geburt. Ausgenommen hatte sie den Unterhaltsschaden gegenüber einem gesunden Kind. Der Zweitkläger begehrte die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle ihm künftig aus seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Erstklägerin entstehenden Nachteile, ebenfalls mit Ausnahme des Unterhaltsschadens gegenüber dem gesunden Kind. Beide Kläger führten zur Begründung ihrer Feststellungsbegehren aus, sie würden infolge der unerwünschten Schwangerschaft und Elternschaft in ihrer beruflichen Entwicklung beeinträchtigt und dadurch Verdienstentgang und später Pensionsschäden erleiden. 
Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass das derzeit gesunde Kind in Zukunft erkranken oder Unfälle erleiden könnte. Die Beklagte bestritt die Kausalität des behaupteten Produktfehlers. Die Spirale der Erstklägerin sei erst nach Eintritt der Schwangerschaft während der Entfernung gebrochen. Bei der Klägerin habe sich ein dieser Art der Verhütungsmittel regelmäßig anhaftendes Restrisiko der Dislokation verwirklicht. Die Geburt eines gesunden Kindes könne auch keinen Schaden darstellen. Sollte dies anders gesehen werden, hätten die Kläger ihre Schadenminderungspflicht verletzt, weil sie sich gegen die Austragung des Kindes entscheiden hätten können. Der Oberste Gerichtshof sah das jedoch nicht anders und hielt an seinem bisherigen Standpunkt fest. Die Geburt eines gesunden, wenn auch unerwünschten Kindes mit allen damit gewöhnlich verbundenen Belastungen stellen keinen ersatzfähigen Schaden im Rechtssinn dar. Das Schadenersatzrecht bezwecke nicht, Nachteile zu überwälzen, die bloß eine Seite – nämlich die finanziell belastende – der Existenz und damit des Eigenwerts des Kindes darstellten und die im Familienrecht geregelt seien. Weiters wurde ausgeführt, dass Schmerzen bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft und Geburt kein Schaden, sondern natürliche Lebensvorgänge seien. Die Frau habe auch nicht behauptet, durch die Spirale verletzt worden zu sein und der Mann habe einen reinen Vermögensschaden geltend gemacht, der in diesem Zusammenhang sowieso unbeachtlich bleibe. Die Eltern bekommen schlussendlich keinen Schadenersatz (8 Ob 69/21m).


Pflichtteilsminderung bei beidseitig fehlendem Kontaktinteresse:  

Die Klägerin in diesem Verfahren war die Tochter eines vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin. Sie machte Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte, die Tochter und testamentarische Alleinerbin, geltend. Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof war die Frage, ob das Recht der Erblasserin, den Pflichtteil zu mindern, gemäß § 776 Abs 2 ABGB ausgeschlossen war. Danach steht das Recht auf Pflichtteilsminderung nicht zu, „wenn der Verstorbene den Kontakt grundlos gemieden oder berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat.“ 2008 kam es zwischen der Erblasserin und der Klägerin zu einem Streit, aufgrund dessen die Erblasserin bis zu ihrem Tod keinen weiteren Kontakt zur Klägerin unterhielt. Auch in den Jahren davor trafen die beiden Frauen gelegentlich bei Familienfeiern zusammen, zu persönlichen Gesprächen kam es jedoch nicht. Weder die Erblasserin noch die Klägerin bemühten sich um ein Gespräch oder die Aufnahme weitergehenden Kontakts. Daher bejahten die Vorinstanzen die Möglichkeit zur Pflichtteilsminderung.
Der OGH legte in seinem Urteil fest, dass der Ausschluss der Pflichtteilsminderung nach § 776 Abs 2 erster Fall ABGB keinen vorangehenden Kontaktaufnahmeversuch des Pflichtteilsberechtigten voraussetzt. Trotz unterbliebenen Kontaktaufnahmeversuchs der klagenden Pflichtteilsberechtigten könnte daher die Pflichtteilsminderung ausgeschlossen sein. Weiters hatte der OGH zu prüfen, ob der Umstand, dass sich (auch) die Erblasserin weder um persönliche Gespräche bei Familienfeiern noch um anderen weitergehenden Kontakt bemühte, eine „Meidung“ des Kontakts iSd § 776 Abs 2 ABGB darstellte. Der Oberste Gerichtshof verneinte dies in jenem Fall, da kein Kontaktinteresse und passives Verhalten noch kein „Meiden“ des Kontakts iSd § 776 Abs 2 ABGB darstellt, das zum Ausschluss des Rechts auf Pflichtteilsminderung führt. Daraus folgt für diesen Fall, dass das Recht auf Pflichtteilsminderung nicht ausgeschlossen ist (2 Ob 116/22f).

Mitwirkung im Abstammungsverfahren bei Demenz:  

Zu der Klärung der Frage, ob der Antragsgegner der Vater des Antragsstellers ist, sollte eine gerichtlich bestellte Sachverständige aus dem Fachgebiet der Gentechnik ein erbbiologisches DNA-Gutachten erstatten. Grundsätzlich besteht keine Pflicht zur Mitwirkung, soweit diese mit einer ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden wäre. Der Antragsgegner griff genau diese Bestimmung auf und verweigerte die Abgabe einer DNA-Probe. Er gab an, dass ihn durch seine starke Demenz außerordentliche Ereignisse wie Arztbesuche und Behandlungen stark verunsichern. Die ersten beiden Instanzen sprachen aus, dass die Weigerung nicht berechtigt ist. Außerdem urteilten sie in diesem Fall, dass es Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Antragsgegner der Vater sein könnte. Dementsprechend sei ein DNA-Test erforderlich. Der Oberste Gerichtshof bestätigte dies. Er führte nochmals die gesetzliche Mitwirkungspflicht im Abstammungsverfahren aus: Soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, haben die Parteien und alle Personen, die nach den Ergebnissen des Verfahrens zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, insbesondere an der notwendigen Gewinnung von Gewebeproben, Körperflüssigkeiten und Blutproben, mitzuwirken. Die Pflicht zur Mitwirkung besteht nicht, soweit diese mit einer ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden wäre. Außerdem stellte der OGH fest, dass es nicht erkennbar ist, dass die Anordnung eines DNA-Tests durch einen Mundhöhlenabstrich, eine Fingernagel-Probe oder Sicherung von Ohrenschmalz oder einer Nasenspur mit einer solchen ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden ist, zumal hier explizit festgestellt wurde, dass durch die Entnahme derartiger Proben die körperliche Integrität in keiner Weise verletzt würde und der Vorgang wie bei Schnäuzen, Ohrenputzen, Kämmen oder Nägelschneiden ist. Im vorliegenden Fall bestehen auch keine Hinweise darauf, dass bei einer Probenentnahme beim Antragsgegner weiterreichende Wirkungen zu befürchten wären, weil die Probenentnahme vor Ort und durch einen vertrauten Arzt vorgenommen werden könnte (9 Ob 66/22d). 

Obsorge bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern (Coronaimpfung): 

Grundlegende Frage in diesem Verfahren war die Beurteilung, ob der Vater eines gemeinsamen Sohnes trotz gravierender Unstimmigkeiten mit der Mutter ebenfalls Obsorge für das Kind erhalten soll. Die Mutter und der Vater trennten sich kurz nach der Geburt des Sohnes und unterhielten seitdem eine sehr schlechte Beziehung. In wichtigen Fragen konnten sie sich nicht einigen. Damals fiel die Obsorge der Mutter zu, wo der Sohn auch lebte. Der Vater konnte seinen Sohn regelmäßig sehen, das war ihm allerdings nur in Anwesenheit seiner Mutter oder anderer Personen erlaubt. Anlässlich eines Kontaktrechtsantrags des Vaters erhielt jener solch eines vom Familienbund begleitet im Ausmaß von zwei Stunden wöchentlich. Die Mutter kritisierte in verschiedenen Belangen den Vater. Sie warf ihm vor, das Kind unsittlich zu berühren und machte den Vater für eine Abschürfung am Rücken des Buben verantwortlich. Fest stand laut Gericht, dass der Vater den Buben weder vorsätzlich noch fahrlässig gefährdet hatte. Trotzdem setzte die Mutter immer wieder den Kontakt mit dem Vater aufgrund dieser Vorwürfe aus, worunter das Kind offensichtlich litt. Der Bub und sein Vater hatten unterdessen nämlich schon eine stabile Beziehung entwickelt. Das Gericht stellte außerdem fest, dass der Vater liebevoll und kindgerecht mit dem Sohn umging und feinfühlig auf dessen Bedürfnisse reagierte. Er hatte keine Probleme mit einer guten Beziehung des Kindes mit der Mutter, was umgekehrt nicht zu behaupten gewesen wäre. „Sie (Anm.: die Mutter) erkennt den Wunsch des Minderjährigen nach Bindung und Beziehung zu seinem Vater nicht und instrumentalisiert die elterlichen Konflikte, um diese Beziehung zu stören“, wurde festgestellt. Die Mutter schien mit dieser Strategie Erfolg zu haben, da der Sohn zunehmend in einen Loyalitätskonflikt geriet und schlussendlich begann, sich dem Vater zu verschließen und kategorisch Übernachtungen bei diesem ablehnte. Die Ursache juckender Hautausschläge des Kindes sowie die Frage um die Art des Covid-19-Impfstoffs befeuerten letztlich die Streitigkeiten zwischen den Eltern. Der Vater wollte das Kind impfen lassen, während die Mutter auf den sogenannten „Totimpfstoff“ warten wolle.
Vor diesem Hintergrund beurteilten die Gerichte die Frage, ob die Obsorge gemeinsam ausgeübt werden sollte. Jeder Elternteil wäre dann gleichermaßen berechtigt, bei wichtigen Entscheidungen mitzuwirken. Die erste Instanz sprach dem Vater die Beteiligung an der Obsorge zu. Er sollte eine zweite Perspektive in medizinischen Fragen bieten, da die Mutter eine dahingehend sehr eingeengte Haltung eingenommen hatte. Außerdem fiel ins Gewicht, dass die Mutter seit Jahren den väterlichen Kontakt zu unterbinden versuchte und dafür in Kauf genommen hatte, dass der Sohn Schaden nehme. Die zweite Instanz schloss sich dem Urteil an und erweiterte dieses um das Argument, dass der Kontakt der Eltern über E-Mail als ausreichende Gesprächsbasis für eine gemeinsame Obsorge gelte. Die Mutter bestritt genau diesen Punkt vor dem Obersten Gerichtshof. Der OGH gab der Mutter recht und drehte die Entscheidungen der Vorinstanzen zulasten des Vaters um. Das entscheidende Kindeswohl sei gefährdet, da die Eltern unfähig seien, sich bei wichtigen Entscheidungen zu einigen: „Aus dem festgestellten Sachverhalt ist zwar ein gewisser Austausch von Informationen der Eltern, aber auch abzuleiten, dass sie in zahlreichen, insbesondere medizinischen Belangen, grundverschiedener Meinung, aber nicht in der Lage sind, eine gemeinsame Entscheidung zum Wohl des Minderjährigen zu treffen“ (2 Ob 125/22d).

EU-VO über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (2022/2065, „Digital Services Act“ bzw „Gesetz über digitale Dienste“): 

Der Digital Services Act (DSA) ist kürzlich im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass die VO ab dem 17. Februar 2024 gilt. Für einzelne Anbieter sehr großer Online-Plattformen kann der Geltungsbeginn aber durch Benennung der Anbieter bereits früher eintreten.
Einzelne Bestimmungen gelten allerdings allgemein bereits ab dem 16. November 2022 (betrifft ua Transparenzpflichten, wobei Anbieter von Online-Plattformen oder Suchmaschinen erstmals bis zum 17. Februar 2023 Informationen über die durchschnittliche monatliche Zahl ihrer aktiven Nutzer in der Union veröffentlichen müssen).
Im Gegensatz zur E-Commerce-RL (EC-RL) erstreckt sich der Geltungsbereich des DSA nun ungeachtet des Niederlassungsortes der Anbieter auf Vermittlungsdienste, die in der Union angeboten werden (Art 2/1 DSA), sofern auch eine wesentliche Verbindung zur Union besteht, was bei einer erheblichen Zahl von Nutzern in der Union oder bei Ausrichtung auf MS der Union anzunehmen ist (Art 3 lit d und e DSA). Die Ausrichtung auf einen MS ist ua etwa dann gegeben, wenn eine Anwen-dung im jeweiligen nationalen App-Store verfügbar ist oder lokale Werbung geschaltet wird (ErwGr 8). Unter den Begriff „Vermittlungsdienste“ fällt die „reine Durchleitung“, „Caching“ sowie „Hosting“ (Art 3 lit g DSA).
Die Haftungsbefreiungen der Anbieter von Vermittlungsdiensten sind nunmehr unter gleichzeiti-ger Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen der EC-RL in den Art 4 ff DSA geregelt (s dazu Art 89 DSA, ErwGr 16). Dabei wurde das bestehende Regelungsregime grundsätzlich übernommen, aber punktuell adaptiert bzw ergänzt. So wurde etwa der Begriff des „Caching” dahingehend er-weitert, dass nicht nur die begrenzte Zwischenspeicherung zwecks höherer Effizienz, sondern nun-mehr auch jene zwecks höherer Sicherheit erfasst ist (Art 5/1 DSA). Außerdem greift die Haftungs-befreiung beim Hosting dann nicht, wenn eine Online-Plattform Verbrauchern das Abschließen von Fernabsatzverträgen mit Unternehmern in einer Weise ermöglicht, dass durchschnittliche Ver-braucher davon ausgehen können, dass der Gegenstand der Transaktion von der Online-Plattform selbst bereitgestellt wird (auch wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist, Art 6/3 DSA, ErwGr 24). Wie schon bisher ist es zudem grds so, dass die Haftungsbefreiung beim Hosting nicht anwendbar ist, wenn der Diensteanbieter die Nutzer beaufsichtigt (Art 6/2 DSA). Allerdings wird nunmehr aus-drücklich festgehalten, dass Anbieter auch dann in den Genuss der Haftungsbefreiungen kommen können, wenn sie auf Eigeninitiative nach Treu und Glauben sorgfältig Maßnahmen zur Erkennung und Entfernung rechtswidriger Inhalte ergreifen („Barmherziger Samariter“-Klausel, Art 7 DSA, Er-wGr 26). Im Übrigen besteht allerdings nach wie vor keine allgemeine Überwachungs- oder Nach-forschungspflicht (Art 8 DSA). Hostingdiensteanbieter müssen überdies leicht zugängliche und benutzerfreundliche Verfahren einrichten, nach denen Personen auf ausschließlich elektronischem Weg rechtswidrige Inhalte melden können (Art 16 DSA). Die Anbieter von Online-Plattformen haben zudem die Erbringung ihrer Dienste für Nutzer, die häufig und offensichtlich rechtswidrige Inhalte bereitstellen, für einen angemessenen Zeitraum nach vorheriger Warnung auszusetzen (Art 23 DSA). Dabei gelten Inhalte dann als offensichtlich rechtswidrig, wenn es für einen Laien ohne inhaltliche Analyse klar ersicht-lich ist, dass die Inhalte rechtswidrig sind (ErwGr 63).
Zusätzliche Verpflichtungen sind für sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen vorgesehen, also solche, die durchschnittlich mindestens 45 Millionen aktive monatliche Nutzer in der Europäischen Union haben und von der Europäischen Kommission als solche benannt werden (Art 33/1 DSA).
Solche Plattformen und Suchmaschinen sind verpflichtet, Nutzern eine kompakte und leicht zu-gängliche Zusammenfassung ihrer AGB in klarer und eindeutiger Sprache zur Verfügung zu stellen. Außerdem müssen sie ihre AGB in den Amtssprachen aller MS, in denen sie ihre Dienste anbieten, veröffentlichen (Art 14/5 und 6 DSA).
Überdies müssen sie in regelmäßigen Abständen systemische Risiken, die sich aus der Konzeption und dem Betrieb ihrer Dienste ergeben, ermitteln, analysieren und bewerten. „Systemische Risi-ken” meint dabei bspw die Verbreitung rechtswidriger Inhalte, Grundrechtsverletzungen und Ge-fahren für Demokratie und öffentliche Sicherheit. Anhand der Ergebnisse dieser Risikobewertung müssen die betroffenen Anbieter Risikominderungsmaßnahmen treffen (Art 35 DSA).
Weiters besteht für sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen die Pflicht, eine Compliance-Abteilung einzurichten (Art 41 DSA) sowie sich mindestens einmal jährlich einer unabhängigen Prüfung zu unterziehen (Art 37 DSA).
Vorgesehen ist zudem, dass sehr große Anbieter, die Empfehlungssysteme verwenden, mindes-tens ein Empfehlungssystem vorlegen müssen, welches nicht auf der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten beruht (Art 38 DSA). Empfehlungssysteme sind dabei Algorithmen, die bestimmen, welche Inhalte dem Nutzer in welcher Reihenfolge und in welchem Kontext (bspw auf der „For You”-Page auf TikTok) angezeigt werden.
Zur Sicherstellung der Einhaltung der im DSA normierten Regelungen werden der Kommission so-wie zum Teil auch dem von jedem Mitgliedsstaat zu benennenden Koordinator für digitale Dienste (s Art 49 ff DSA) weitreichende Überwachungs-, Aufsichts-, Auskunfts- und Untersuchungsbefug-nisse eingeräumt. Bei Verstößen drohen Bußgelder iHv bis zu sechs Prozent des weltweit erzielten Jahresumsatzes sowie Zwangsgeldern von bis zu fünf Prozent des weltweit erzielten Tagesumsat-zes. Der DSA wird in Österreich wohl zu Änderungen des ECG sowie vermutlich auch zu einer voll-ständigen Aufhebung des KoPlG führen.

EU-VO über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (2022/1925, „Digital Markets Act“ bzw „Gesetz über digitale Märkte“): 

Kurze Zeit vor dem DSA – konkret am 12. Oktober 2022 - wurde auch die Schwester-Verordnung, nämlich der Digital Markets Act (DMA) im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Grundsätzlicher Geltungsbeginn der Verordnung ist der 2. Mai 2023, wobei je-doch einzelne Bestimmungen bereits ab dem 1. November 2022 bzw erst ab dem 23. Juni 2023 gelten.
Der Fokus des DMA liegt auf bestimmten großen Plattformen, den sog Torwächtern (Gatekee-pern). Um als solche zu gelten, müssen Unternehmen gewisse im Art 3/2 DMA näher umschriebene Schwellenwerte überschreiten; zudem müssen sie einen zentralen Plattformdienst (darunter fallen bspw Online-Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Video-Sharing-Plattform-Dienste, Betriebssysteme, Webbrowser, Cloud-Computing-Dienste etc; s Art 2 Z 1 DMA) bereitstellen. Ausnahms-weise kann die Kommission auch ein Unternehmen, welches die Schwellenwerte des Art 3/2 DMA nicht erreicht, als Gatekeeper benennen (vgl Art 3/8 DMA).
Zweck der Verordnung ist es, mittels Verpflichtungen für Gatekeeper, gewerblichen Nutzern und Endnutzern einen fairen und offenen Zugang zu digitalen Märkten zu ermöglichen (s ErwGr 7). Daher sehen etwa Art 5/2 und Art 6/2 DMA für Gatekeeper gewisse Verbote der Verarbeitung personenbezogener Daten der Nutzer vor. Art 5/3 DMA verbietet Gatekeepern gewerbliche Nutzer daran zu hindern, Endnutzern dieselben Produkte oder Dienstleistungen über Online-Vermitt-lungsdienste Dritter oder über ihre eigenen direkten Online-Vertriebskanäle zu anderen Preisen oder Bedingungen anzubieten als über die Online-Vermittlungsdienste des Gatekeepers. Gatekeeper müssen ihren Endnutzern außerdem ermöglichen, vorinstallierte Software vom Betriebssystem zu deinstallieren und Software anderer Anbieter installieren und auf ihrem Betriebssystem nutzen zu können, dies auch auf anderem Wege als über die betreffenden zentralen Plattform-dienste (bspw Appstores) des Gatekeepers (s Art 6/3 und 4 DMA).
Um eine bessere Positionierung des eigenen Angebots des Torwächters zu verhindern, normiert der DMA ein Verbot der Bevorzugung vom Gatekeeper selbst angebotener Dienstleistungen und Produkte beim Ranking (zur Begriffsbestimmung s Art 2 Z 22 DMA), bei der Indexierung sowie bei dem damit verbundenen Auffinden gegenüber ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten Dritter (vgl Art 6/5 DMA).
Des Weiteren darf die Schließung eines Kontos oder die Kündigung eines Abonnements eines zentralen Plattformdienstes nicht komplizierter gestaltet werden als das Anlegen eines Kontos oder das Abonnieren desselben Dienstes (vgl Art 6/13 DMA und ErwGr 63).
Art 7 DMA normiert eine Verpflichtung von Gatekeepern, die nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste erbringen, für eine Interoperabilität mit anderen Anbietern zu sorgen. Endnutzern soll so ermöglicht werden, auch zwischen verschiedenen Messenger-Diensten Nachrichten und Dateien auszutauschen, innerhalb von vier Jahren muss der Gatekeeper sogar für eine Interoperabilität von Sprachanrufen und Videocalls sorgen (Art 7/2 lit c DMA). Auch nach dem DMA drohen bei Verstößen drakonische Strafen: so kann die Kommission gegen Gatekeeper Bußgelder iHv bis zu 10 % - im Falle von Wiederholungstätern sogar bis zu 20 % - seines weltweiten Vorjahresumsatzes (s Art 30/1 und 2 DMA) und Zwangsgelder iHv maximal 5 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr weltweit erzielten durchschnittlichen Tagesumsatzes verhängen (s Art 30/1).

Alle monatlichen Zankl.updates auf einen Blick finden Sie hier: https://www.facultas.at/verlag/rws/zankl_update

10. November 2022



ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Zankl

ist Universitätsprofessor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien (www.zankl.at), Gründer und Direktor des weltweiten Netzwerks für IT-Recht (www.e-center.eu), Entwickler und Leiter der ersten juristischen Crowd-Intelligence-Plattform (www.checkmycase.com) und Foundation Member der Computer Ethics Society Hong Kong.

 © Privat

 

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