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Ein Mund ohne Mensch

Ein Mund ohne Mensch

Roman

Ein Mund ohne Mensch
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Veröffentlicht 2017, von Gilles Marchand bei austernbank, Aux Forges du Vulcain

ISBN: 978-3-946687-00-9
Auflage: 1. Auflage
246 Seiten
20.5 cm x 12.5 cm

 
Ein rätselhafter Buchhalter in Paris: Tagsüber geht er seinem eintönigen Beruf nach, abends trifft er sich mit Freunden in einem Café. Sein Mund bleibt dabei stets von einem Schal verdeckt. Als seine Freunde ihn eines Tages fragen, was er verberge, holen ihn Erinnerungen an die Vergangenheit ein. Er beginnt, von seiner Kindheit und seinem Großvater und dessen Vorliebe für eine skurrile ...
Beschreibung
Ein rätselhafter Buchhalter in Paris: Tagsüber geht er seinem eintönigen Beruf nach, abends trifft er sich mit Freunden in einem Café. Sein Mund bleibt dabei stets von einem Schal verdeckt. Als seine Freunde ihn eines Tages fragen, was er verberge, holen ihn Erinnerungen an die Vergangenheit ein. Er beginnt, von seiner Kindheit und seinem Großvater und dessen Vorliebe für eine skurrile Sichtweise auf die Realität zu erzählen...

Gilles Marchands Debütroman war in Frankreich ein Sensationserfolg, der Buchhändler, Leser und Kritiker gleichermaßen begeisterte.

Textauszug
Ich habe ein Gedicht und eine Narbe.
Von meiner Unterlippe bis weit ins Innere meines Hemdes reicht dieser Abdruck der Geschichte, diese unauslöschliche Zeichnung, die ich nach Kräften mit meinem Schal bedecke, um denen, die meinen Weg kreuzen, den Anblick zu ersparen. Was das Gedicht anbelangt, es verfolgt mich wie eine eingängige Musik. Seine Worte kriechen im meinem Kopf umher, den sie gerne verlassen würden, um der Welt von ihrem Schmerz zu künden. […]
Meinen Kaffee zu trinken, ohne meine Umgebung mit dem spektakulären Anblick meiner unteren Gesichtshälfte zu behelligen, ist immer eine gefährliche Übung. Die Bewegung muss genau und schnell sein.[…] Aber heute Abend zog sich der Schal nicht rechtzeitig zurück. Oder die Tasse kam zu schnell. Ich konnte den Schrei nicht unterdrücken. Der Kaffee rinnt meinen Hals entlang, tränkt meinen Schal, während die Tasse am Boden zerbricht, nachdem sie vom Tisch und dann von meinem linken Knie abgeprallt ist.
[…]
Thomas stützt seine Ellbogen auf den Tisch und betrachtet mich, verlegen und entschlossen zugleich.
„Warum legst du diesen verfluchten Schal nicht ab?“
Stille. Er schaut mir weiterhin in die Augen, während Sam sich anstrengt, lässig zu wirken. Es ist nicht das erste Mal, dass sie mich zu diesem Thema befragen. Seit dem ersten Tag sagen sie mir, dass ich ihn ausziehen kann. „Ist doch heiß darin“, „Du wirst frieren, wenn du rausgehst“, „Wir sind unter Freunden, du hast nichts zu befürchten“ … Sie hakten mehrmals nach, ohne zu sehr darauf herumzureiten, um sich schließlich dafür zu entschuldigen, dass sie sich in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Ich gab niemals nach. Es gibt keinen Verhandlungsspielraum, weil es für mich nichts zu gewinnen gibt. Und man verhandelt nicht mit seinen Freunden. […]

„Du wirst ja nicht nur deshalb gehen, weil du deinen Schal verfleckt hast!“

Ich beginne, in meiner Manteltasche zu kramen, hole meine Brieftasche heraus und ziehe daraus ein Foto hervor. Nach so langer Zeit ist es natürlich vergilbt. Ich schaue es nicht oft an, als hätte ich Angst, es abzunutzen. Seine Ränder sind verknickt, an manchen Stellen etwas eingerissen.
Ich lege es auf dem Tisch und drehe es zu Sam, Thomas und Lisa.
Es ist ein Foto von meinem Großvater. Er stützt sich auf das Dach eines schwarzen Wagens. […] Ein Datum steht nicht darauf, aber ich denke, es muss Ende der zwanziger Jahre aufgenommen worden sein. Auf jeden Fall ein gutes Jahrzehnt vor meiner Geburt. Ich mag es, weil alle darauf lächeln. Sie haben die Sonne in den Augen, aber sie lächeln, weil Fotos etwas Bleibendes sind, und deshalb müssen sie schön werden. Schließlich gebe ich mir einen Ruck. Ich fühle, wie mein Bein nervös zuckt und meine Stimme zittert.

Er lächelte immerzu, aber manchmal schaute er ins Ungewisse. In diesen Augenblicken schien er mit den Augen traurig und mit dem Mund glücklich zu sein. Er lächelte aus Höflichkeit, aber seine Augen dachten an etwas Anderes. Und anschließend heftete sich sein Blick auf etwas oder jemanden, und dann war er wieder mit dem Mund und den Augen glücklich. Als ob er einen guten Witz vorbereitete oder sich an eine lustige Geschichte erinnerte, die er vergessen hatte.
Ich schlage die Augen nieder und fürchte, vor meinen Freunden lächerlich zu erscheinen. Aber ihr Wohlwollen bestärkt mich augenblicklich. Sie erheben ihre Gläser, und wir stoßen an. Auf nichts. Wir stoßen einfach nur an. Lisa steht auf, bedient den alten Mann, startet die zweite Platte des White Album und kommt zu uns zurück. Als aus den Lautsprechern I’m so tired tönt, beschließen wir, dass sie Recht haben und dass es Zeit ist, aufzubrechen.