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Kunst der Begegnung

Zur Profession und Meisterschaft sozialer Arbeit

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Veröffentlicht 2021, von Quarch Christoph bei INNOLIBRO GmbH

ISBN: 978-3-9823811-0-7
Auflage: 1. Auflage
98 Seiten
ab 18 Jahre

 
"Soziale Arbeit kann nur dann gedeihen, wenn sie in einem belastbaren und verlässlichen Boden wurzelt, der sie nicht allein trägt, sondern auch nährt und mit Energie versorgt. Damit das Haus der sozialen Arbeit zu einem tragenden und unterstützenden Begegnungsraum von Menschen werden kann, bedarf es daher eines festen und soliden Fundamentes; nicht allein im physischen, sondern vor allem im ...
Beschreibung
In seinem eBook "Die Kunst der Begegnung" philosophiert Dr. Christoph Quarch über den Sinn, die Aufgaben sowie die Meisterschaften der Sozialen Arbeit, die er als „Arbeit von Menschen an Menschen“ bezeichnet. „Sie ist eine Kunst der Begegnung: die Kunst, Beziehung so zu gestalten, dass Menschen darin ihre Lebendigkeitspotenziale entfalten und an Leib und Seele wachsen oder auch gesunden können".

Christoph Quarch ist sich um die Wichtigkeit und kommunikative Dimension dieses Themas sehr bewusst. Darum wird der Text in einer deutlich interaktiveren Form auch zusätzlich als APPBOOK veröffentlicht – das Käufer*innen dieses eBooks kostenfrei dazu erhalten. (Im eBook finden Sie hierzu weitere Infos.)
APPBOOKs sind lebendige Bücher, die mit Aktualisierungsfähigkeit, multimedialen Inhalten sowie einer Dialogfunktion (Chat) zwischen Mitlesenden und dem Autor ein neuartiges Lesen ermöglichen. Abonnent*innen des APPBOOKs zur Sozialen Arbeit profitieren überdies, da Christoph Quarch das Werk halbjährlich um einen weiteren Band ergänzt und somit stets aktuelle Inhalte bietet und sich auch im Buchchat stets interessante Dialoge und neue Sichtweisen ergeben.

Der Buchinhalt (in eBook wie auch im APPBOOK) regt Lesende dazu an, ihre eigenen Taten reflektiv zu betrachten und zu analysieren. Zudem veranschaulicht Christoph Quarch die Soziale Arbeit, als Bindeglied zwischen menschlichen Beziehungen, an vielen praxisnahen Beispielen. „Kunst der Begegnung“ besteht aktuell (Stand September 2021) aus 4 Büchern, die sich mit folgenden Themen befassen, wie: 1. Die Kunst der Begegnung / 2. Achtsamkeit, Respekt und Hören / 3. Vertrauen, Verlässlichkeit und Treue / 4. Verantwortung und Entschlossenheit.

Werbliche Ãœberschrift
Erhalten Sie wertvolle Einblicke in die Welt der Sozialen Arbeit aus Sicht des renommierten Businessphilosophen Dr. Christoph Quarch, der über Sinn und Meisterschaft der „Arbeit von Menschen an Menschen“ reflektiert.

Erstes Kapitel
Teil 1: Wer ist der Mensch?

Wir hörten es bereits: Die Frage nach dem Wesen des Menschen ist so alt wie unsere Kultur, sofern sie ihren Ursprung im antiken Griechenland nahm. Dort standen im Heiligtum von Delphi die meist zitiertesten Worte der Antike eingemeißelt: „Erkenne dich selbst!“ – Worte, die von den griechischen Denkern und Interpreten stets gelesen wurden als eine Frage: „Mensch, wer bist du?“
Bewusstsein
Bemerkenswert daran ist, dass die Frage „Mensch, wer bist du?“ ihre Antwort bereits in sich trägt: Der Mensch ist das Wesen, das sich befragen kann. Der Mensch ist das Wesen, das sich erkennen kann. Das hat einen einfachen Grund: Anders als alle anderen Wesen verfügt der Mensch über Bewusstsein, genauer: über Selbstbewusstsein. Er ist das selbstbewusste Wesen. Das heißt: Der Mensch ist das Wesen, das sich zu sich selbst verhalten kann und muss. Es ist unser Privileg, dass wir nicht einfach nur so vor uns hin leben, sondern die Möglichkeit haben, ein Leben zu führen.
Auf vortreffliche Weise hat der Philosoph Martin Heidegger (1889-1976) diesen Tatbestand herausgearbeitet. Um ihm Rechnung zu tragen, hat er für das Menschsein den Begriff „Dasein“ eingeführt. Heidegger erläutert ihn wie folgt:
„Das Dasein ist ein Seiendes, das nicht nur unter anderem Seienden vorkommt. Es ist vielmehr dadurch […] ausgezeichnet, dass es diesem Seienden in seinem Sein um dieses Sein selbst geht. Zu dieser Seinsverfassung des Daseins gehört aber dann, dass es in seinem Sein zu diesem Sein ein Seinsverhältnis hat. Und dies wiederum besagt: Dasein versteht sich in irgendeiner Weise und Ausdrücklichkeit in seinem Sein.“ (Martin Heidegger, Sein und Zeit)
Dasein ist Sein, das sich zu sich selbst verhalten kann. Und der Mensch, dessen Sein das Dasein ist, ist das Wesen, das in Beziehung zu sich selbst steht: das Wesen, das sich selbst begegnen kann und muss.
Damit wird die Sache kompliziert. Denn nun tun sich weitere Frage auf: Wie begegnet der Mensch sich selbst? Wer begegnet dabei wem? Bleiben wir zunächst bei der ersten Frage. Denn die Antwort kennen wir bereits: Wir begegnen uns selbst in unserem Bewusstsein, unserem Selbstbewusstsein. Schwieriger steht es um die Antwort auf die zweiten Frage: Wem begegnen wir, wenn wir uns zu uns selbst verhalten? Wer ist dieses „Selbst“, dessen wir uns im Selbstbewusstsein bewusst sind?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach, sondern vierfach. Menschen sind komplexe Wesen, die sich selbst in vier Dimensionen begegnen können. Der Begriff der Dimensionen ist dabei bewusst gewählt. Was es mit Dimensionen auf sich hat, können wir uns mit Hilfe eines Bildes veranschaulichen.
Dafür müssen wir uns für einen Augenblick an den Schulunterricht in Geometrie erinnern. Damals lernten wir, dass man an einem räumlichen Objekt unterschiedliche Dimensionen aufweisen kann und muss, um es zu verstehen. Nehmen wir als Bespiel einen Würfel: Um einen Würfel zu verstehen, müssen wir an ihm vier Dimensionen unterscheiden. Wichtig ist, dass wir uns dabei klar machen, dass diese Dimensionen unterschiedliche Dimensionen des einen Würfels sind, die wir alle gleichermaßen brauchen, um das eine Wesen des Würfels vollständig erfassen zu können.
Diese vier Dimensionen des Würfels kann man sich am besten vor Augen führen, indem man ihn konstruiert. Dafür benötigt man zunächst eine Linie. Damit öffnet sich die erste Dimension:
Erste Dimension: die Linie

Sodann müssen wir vier Linien zu einem Quadrat verbinden, um auf diese Weise den Schritt in die zweite Dimension zu wagen: die Fläche:
Zweite Dimension: die Fläche

Den Schritt aus der zweiten Dimension der Fläche in die dritte Dimension der Tiefe vollziehen wir, in dem wir aus sechs Flächen einen Würfel zusammenbauen:
Dritte Dimension: die Tiefe
Nun haben wir den Würfel konstruiert. Der Würfel ist seinem Wesen nach dreidimensional, aber zu diesem seinem Wesen gehören die erste und die zweite Dimension unbedingt dazu. Ohne Linien und Flächen kein Würfel. Aber der Würfel ist mehr und komplexer als nur Linien und Flächen: Er ist räumlich, hat Tiefe. Das weist uns darauf hin, dass es noch eine weitere, eine vierte Dimension gibt, die wir bedenken müssen, wenn wir den Würfel hinreichend beschreiben wollen: den Raum. Er ist in unserem Beispiel repräsentiert durch das weiße Blatt Papier, auf dem wir den Würfel konstruierten.
Vierte Dimension: der Raum
Ohne dieses leere Blatt wäre unsere Konstruktion nicht möglich gewesen. Ebenso braucht es den leeren Raum, um einen dreidimensionalen Würfel darin verorten zu können. Denn der dreidimensionale Würfel selbst ist – wie wir soeben sagten – räumlich: er ist durch Linien und Flächen definierter, bestimmter Raum; ein bestimmter Raum, den es nur gibt, weil es zuvor immer schon den unbestimmten, leeren Raum (der vierten Dimension) gegeben hat. Wir halten also fest: Ein Würfel ist ein dreidimensionales Objekt, an dem vier Dimensionen erkennbar und verstehbar sind: Linie, Fläche, Tiefe, Raum.
Dieses vierdimensionale Modell übertragen wir nun auf uns Menschen. Denn die These lautete: Auch der Mensch kann (und muss) sich, wenn er sich zu sich selbst verhält, in vier Dimensionen ansprechen oder auch erfahren. Welche Dimensionen sind das?

Leib

In seinem Buch „Phänomenologie der Wahrnehmung“ schreibt der französische Philosoph Maurice Merleau-Ponty (1908-1961):
„Wenn ich über das Wesen der Subjektivität nachdenke, stelle ich fest, dass es an das Wesen des Leibes und das Wesen der Welt gebunden ist, weil meine Existenz als Subjektivität eins ist mit meiner Existenz als Leib und mit der Existenz der Welt, und letztlich das Subjekt, das ich bin, konkret genommen untrennbar ist von diesem Leib hier und dieser Welt hier.“
Was Merleau-Ponty damit sagen will, ist: Wir Menschen haben nicht nur einen Körper, wir sind auch unser Leib. Und dieser physische Leib – unser Fleisch und Blut – verbindet uns mit allem anderen Leben, d.h. mit der Natur. Denn alles natürliche Leben ist inkarniert: besteht aus materiellen Zellen und west als Körper. Leben ist immer auch leiben. Nicht-leibliches Leben gibt es nicht. So gesehen ist der Leib grundlegend und basal, auch für das Menschenleben. Und er ist so grundlegend und basal, wie die Linie für die Konstruktion des Würfels. Wir erinnern uns: Ohne Linie kein Würfel. Ebenso gilt: Ohne Leib kein Mensch. Menschsein heißt leiblich sein. Der Mensch leibt und lebt.

Jedoch ist der Leib in unserem Bewusstsein meist nur untergründig präsent. Unsere Sprache spiegelt diesem Umstand, indem sie uns zu dazu verleitet zu behaupten, dass wir wohl einen Körper haben nicht aber unser Leib sind. So liegt es uns ganz nahe, den Körper als ein Objekt zu deuten, das wir nach Belieben nutzen, pflegen, nähren, waschen, üben, trainieren, optimieren, perfektionieren etc. können. Wir sind nicht unser Körper, denken wir. Und deshalb erscheint es uns befremdlich, wenn ein Denker wie Friedrich Nietzsche (1844-1900) sagt: „Leib bin ich ganz und gar, und Nichts ausserdem“. Allenfalls in Extremsituationen mögen wir dem beipflichten: etwa auf dem Zahnarztstuhl, wenn bei der Wurzelbehandlung den Eindruck haben, nichts anderes mehr als Schmerz zu sein; oder bei großen Anstrengungen, wenn wir nur noch aus Müdigkeit und Ermattung zu bestehen scheinen; oder – um ein positives Beispiel zu verwenden – im rauschhaften Tanz oder bei ekstatischen Sex, wenn wir ganz in unserem Leib aufzugehen scheinen. So oder so: Wir sind immer auch Leib, aber wir sind nicht nur Leib. Denn sonst könnten wir uns nicht zu unserem Leib verhalten – und könnten uns auch nicht in besonderen Situationen mit ihm identifizieren. Wir sind Leib, aber wir sind zugleich mehr. Klar, denn wir wesen nicht nur in der ersten, sondern immer auch in der zweiten Dimension.

Was aber ist die zweite Dimension unseres menschlichen Daseins? Was entspricht der Fläche im Bild des Würfels?
Ich
Wenn wir auf einen Würfel schauen, sehen wir nie den ganzen Würfel. Wir sehen immer nur dasjenige, was wir von ihm sehen können. Und was wir von ihm sehen können, sind maximal drei Flächen. Alle sechs zu sehen, ist dem einfachen, normalen Blick unmöglich – und auch das Innere des Würfels könnten wir nur dann erblicken, wenn die Flächen vollkommen transparent und durchsichtig wären. Was, so müssen wir nun fragen, erblicken wir, wenn wir auf uns selbst blicken: wenn wir unser Bewusstsein auf uns selbst richten? Richtig, wir erblicken die Oberfläche(n) unserer selbst. Wir bekommen es mit der Ansicht zu tun, die wir von uns selbst haben. Wie aber nennen wir die Ansicht, die wir von uns selbst haben? Wir nennen sie Ich. Und wir bezeugen und bekunden sie jedesmal dann, wenn wir das Wort „Ich“ in den Mund nehmen. Jedesmal, wenn wir das tun, geben wir einem anderen Menschen zu verstehen, als wer oder was wir uns in diesem Moment sehen und verstehen. Wir teilen die Ansicht mit, die wir von uns haben.

Dies ist die geläufigste und gängigste Weise, uns zu uns selbst zu verhalten: Wir identifizieren uns mit der Ansicht, die wir von uns haben. Und das kann auch gar nicht anders sein. Denn, wie das Bild des Würfels lehrt, es ist gemeinhin unmöglich, sich zu einem Würfel im Ganzen zu verhalten. Solange seine Flächen nicht völlig transparent sind, bleibt er in seiner Ganzheit unserem Blick und unserem Verstehen entzogen. Wir kennen nur die Ansicht, die er uns bietet und die wir von ihm haben. Diese Ansicht bleibt aber immer oberflächlich.
So ist es auch mit dem Ich. Wir kennen uns nur so, wie wir uns selbst ansehen. Wir identifizieren uns mit der Ansicht, die wir von uns haben. Womöglich haben wir zuweilen verschiedenen Ansichten oder Selbstbilder: in unserer Rolle als Vater oder Mutter, als Sozialarbeitender, als Freitzeitsportler…. Gleichviel, es ist immer ein Ich oder das Ich, mit dem wir uns identifizieren und als das wir uns erleben – aber das Ich ist immer nur eine mögliche Ansicht dessen, was wir wirklich, wesentlich, im Ganzen sind. Das Ich ist immer nur das Selbstbild, das wir von uns haben, niemals jedoch dasjenige, was es abbildet: dasjenige, was wir sind.

Um das Ich noch besser zu verstehen, sollten wir noch etwas genauer hinschauen und die Frage bedenken, wie das Selbstbild – wie das Ich – eigentlich zustande kommt: wie wir es anstellen, eine Ansicht von uns zu gewinnen. Bleiben wir dafür kurz beim Würfel. Die Flächen des Würfels sind definiert: Sie werden gebildet durch die Linien, die sie begrenzen. Ebenso sind auch die Ansichten, die wir von uns haben, begrenzt. Unser Ich ist definiert – und dies ist das Verdienst zweier besonderer Vermögen des Menschen: seines Verstandes und seines Willens.

Mit Hilfe des Verstandes können wir Unterscheidungen vornehmen: „Das bin Ich und das bin Ich nicht.“ „Ich bin Ich und Du bist Du.“ So spricht der Verstand und markiert dadurch den Rahmen, den Rand, die Grenze seines Selbstbildes. Und was innerhalb dieses Rahmens erscheinen darf, regelt größtenteils der Wille. Er sagt: „So will ich sein, so sehe ich mich gern.“ Und so lässt er nach seiner Maßgabe nur dasjenige aus der Tiefe seines Daseins an die Oberfläche, was sich in das von ihm gewollte Selbstbild integrieren lässt. Das heißt: Wir sehen uns meistenteils so, wie wir uns sehen wollen.

Dabei neigt der Wille dazu, das von ihm Gewollte oder Gewünschte als ein ihm verfügbares Objekt zu betrachten: als etwas, das er haben will und letztlich auch haben kann. Der Wille möchte das Gewollte seinem Selbstbild als Besitz und Habe aneignen. Deshalb setzt sich unser Ich zumeist aus alledem zusammen, was wir haben: unsere Partner, Besitztümer, Güter, Jobs, Meinungen, Geschichten, Interessen etc. So sagt das Ich: „Ich habe einen Partner, von dem ich etwas will.“ Oder: „Ich habe Dinge, die dem dienen, was ich will.“ Oder: „Ich habe einen Körper, von dem ich etwas will.“ Wir können also sagen: Das Ich verhält sich zur Welt im Modus des Habens und zu sich selbst im Modus des Wollens. Dabei kann es freilich zu Unstimmigkeiten kommen, etwa wenn das Ich etwas von seinem Körper will, was dieser nicht zu leisten vermag. Dann kommt es zu Unstimmigkeiten im System unseres Daseins. Dann entstehen physische Krankheiten. Dann leidet das Ich unter seinem Körper.
Das alles ist Leben in der zweiten Dimension: Leben an der Oberfläche seiner selbst. So zu leben ist nicht falsch, denn wir können nicht umhin, uns zu uns selbst zu verhalten und Selbstbilder zu generieren. Aber so zu leben ist flach, weil wir darin nie über die erste und zweite Dimension unserer selbst hinauskommen. Das Leben in der zweiten Dimension bleibt unter seinen Möglichkeiten, kann seine Potenziale nicht wirklich entfalten. Dafür bedarf es der Verwurzelung in der dritten Dimension.
Seele
Erinnern wir uns: Die dritte Dimension beim Würfel ist der Würfel: ein Gegenstand mit Tiefe; dasjenige, wovon die Oberflächen eben Oberflächen und die Linien das Gerüst sind. Fragen wir nun analog dazu: Was sind wir in unserer Tiefe? Wovon ist das Ich die Oberfläche oder Ansicht? Die Antwort wurde bereits angedeutet: Sie sind die Oberfläche dessen, was wir selbst sind. Sie sind die Ansicht unseres Selbst. Von dem Selbst als der eigentlichen Essenz des Daseins sprechen manche psychologischen Schulen. In der Philosophie ist für diese dritte, diese Tiefendimension des Lebens von alters her ein anderer Begriff gebräuchlich: Seele.

Was aber ist Seele? Die Antwort liegt auf der Hand: Seele ist das, wovon das Ich die Oberfläche bzw. Ansicht ist. Seele ist das, was wir im Ganzen sind. Sie ist unser dreidimensionales Wesen: die Ganzheit, zu der wir uns unter den drei Aspekten Leib, Ich und Tiefe verhalten können. Was aber heißt hier Tiefe?

Veranschaulichen wir uns das an einem anderen Bild: einem See. Das Wort „See“ und das Wort „Seele“ sind nicht nur sprachgeschichtlich miteinander verwandt, sie können auch zurate gezogen werden, um sich wechselseitig zu erklären. Denn machen wir uns Folgendes klar: Von einem See sehen wir immer nur die Oberfläche. Den eigentlichen See, bekommen wir nicht zu sehen. Anstatt den Blick auf seinen Grund und all das in ihm wimmelnde Leben freizugeben, spiegelt seine Oberfläche zumeist ihre Umgebung.

Vom eigentlichen Sein und Wesen des Sees hat man keine Ahnung, solange nur seine Oberfläche sieht. Um den See wirklich kennenzulernen, müsste man in ihn eintauchen. Ebenso ist es mit der Seele. Wir verhalten uns zu ihr gemeinhin wie zu einem See, auf dessen Oberfläche wir surfen oder schwimmen, in dessen abgründige Tiefe wir uns meistens jedoch nicht vorwagen. Wir gleichen vielmehr einem Schwimmer, der immer nur an der Oberfläche bleibt und sich einbildet, er wisse, was der See ist. Dabei reichte eine einfache Bewegung mit dem Kopf, um sich darüber klar zu werden, dass der See – und ebenso die Seele – sehr viel mehr und sehr viel anders ist als das, was wir von ihm bzw. ihr an der Oberfläche wahrnehmen.

Was ist unter der Oberfläche des Sees? Dort ist das Wasser, das ihn speiste. Dort sind Fische und Algen; dort ist das bunte, schillernde Leben. Dort ist das Potenzial des Sees. Dort schlummert aber auch mancher Unrat. Kurz: Dort ist alles, was der See ist, auch wenn man davon an der Oberfläche nichts ahnt.

Ebenso ist es mit der Seele: Sie ist alles, was wir sind – auch das, wovon wir an der Oberfläche nichts ahnen. Dort sammeln sich die Ströme, die uns hervorbrachten, d.h. die unbewussten Einflüsse unserer Familie. Dort walten unsere Gefühle, Sehnsüchte und Träume. Dort schlummern unsere Potenziale, unser ungelebtes Leben. Dort liegt auch so mancher Unrat verborgen, manche Traumata und lang Verdrängtes. Dort ist unser ungelebtes Leben, dort ist unsere eigentliche, unsere wesentliche Lebendigkeit. Das wird uns bewusst, sobald wir die Benutzeroberfläche unserer selbst durchstoßen, die gewöhnliche Ich-Fokussierung hinter uns lassen und in die Tiefe unserer Seele eintauchen. Dann haben wir das Gefühl, ganz bei uns zu sein. Dann fühlen und spüren wir uns. Dann entfalten wir unser Potenziale. Dann wissen wir uns ganz lebendig und erleben uns als wesentlich.
Meisten aber verhalten wir uns anders. Meistens leben wir nicht tief, sondern flach. Meistens verwechseln wir unser Sein mit unserer Habe. Dann ist die Benutzeroberfläche unseres Seelensees gefroren und wir hasten wie Eisläufer rastlos auf ihr hin und her, um ja nicht einzubrechen – bis ein Tauwetter einsetzt und die Liebe das Eis unseres Egos schmilzt. Aber das ist wieder ein anderes Thema…

Noch einmal: Flach zu leben ist nicht böse oder falsch, aber es ist traurig, denn wir bleiben dabei unter unseren Möglichkeiten und entwickeln uns nicht weiter. Wir finden dann nicht mehr den Zugang zu unseren Potenzialen, kreisen rastlos um uns selbst und bleiben unbefriedigt oder unglücklich, weil es zwischen unserer Tiefe und unserer Oberfläche nicht mehr stimmt. Und ganz so wie wir physisch erkranken, wenn unser Ich und unser Leib nicht im Einklang miteinander sind, so werden wir psychisch krank, wenn unser Ich auf Dauer unsere Seele ignoriert – etwa, indem wir uns ein bestimmtes Bild davon gemacht haben, wie wir uns als Sozialarbeitende(r) verhalten wollen, das jedoch gar nicht zu dem passt, wer wir in der Tiefe unserer Seele sind und was uns einst dazu verleitet hatte, diese Profession zu ergreifen.

Wenn wir hingegen aus unserer Tiefe leben, sind wir ganz bei uns und stehen in unserer Kraft. Wir hängen dann nicht länger an von anderen übernommenen Konzepten oder Bildern, sondern sind erfüllt in unserer Tiefe. Wir sind mit uns im Reinen und erfahren unser Tun, unsere Arbeit, ja unser ganzes Leben als sinnvoll. Wir sind frei von Egozentrik, schöpfen dafür aber aus einem gesunden Selbstvertrauen.
Menschen, die sich zu sich und zur Welt als Seele verhalten, sind beseelt und beseelen andere. Fragt sich nur, wie man es anstellt, dorthin zu kommen. Diese Frage werden wir sogleich beantworten, müssen uns aber vorher noch für einen Augenblick der vierten Dimension zu wenden.
Geist
Erinnern wir uns daran, was die vierte Dimension im Bild des Würfels ist: Sie ist der Raum, worin der Würfel anwest. Was, so müssen wir nun fragen, ist dazu das Korrelat im Dasein eines Menschen? Was ist es, das sich unter den Einflüssen und den Einwirkungen des physischen Leibes und des Tuns und Lassens unseres Ichs zu einer einmaligen, bestimmten Seele herausgebildet hat? Was ist es, das sich ebenso auch zu anderen, einmaligen Seelen herauskristallisiert? Was ist es, das allen gemein ist und sich doch in allen je anders manifestiert? Die Tradition des europäischen Denkens hält dafür den Begriff Geist bereit – bedauerlicherweise ein äußerst schwieriges und mehrdeutiges Wort, dessen Bedeutung wir hier unmöglich erschöpfend ausloten, sondern bestenfalls skizzieren können. Was also ist in unserem vierdimensionalen Verständnis des Menschen der Geist?

Um hier voran zu kommen, fragen wir uns, auf welche Weise Menschen mit der Dimension des Geistes in Kontakt treten: wie und wo wir einen Zugang zu dieser vierten Dimension unseres Daseins gewinnen. Auch hierzu ein Antwortvorschlag: Zum Geist, der wir immer auch sind, verhalten wir uns in dem Bereich, den man gemeinhin als Spiritualität bezeichnet. Die Erfahrung des Geistes ist – mit anderen Worten –dasjenige, was man eine spirituelle Erfahrung nennt. Wie so etwas im Einzelnen aussieht, erfährt man aus den Texten mystischer Autoren oder Weisheitslehrer aller großen religiösen Traditionen.
Ohne hier näher darauf eingehen zu können, gibt es angesichts der Vielzahl solcher Texte und Berichte guten Grund zu der Behauptung, dass das menschliche Dasein immer auch eine spirituelle Dimension aufweist. Ja, man kann mit gutem Grund sagen: Wir sind immer auch geistige, spirituelle Wesen. Das zu wissen, ist nicht unerheblich, wenn man einer Profession nachgeht, bei der Menschen mit Menschen arbeiten. Will sagen: Weil Spiritualität eine Dimension des Menschseins ist, hat die soziale Arbeit – ob es einem nun passt oder nicht – unausweichlich immer auch eine spirituelle Dimension.

Das heißt aber nicht, dass soziale Arbeit wesentlich eine spirituelle Arbeit wäre. Das ist sie nicht. Soziale Arbeit ist vielmehr eine Arbeit, die sich wesentlich in den ersten drei Dimensionen des Menschseins bewegt: die es mit dem Menschen als einem Wesen zu tun hat, in dem Seele, Ich und Leib eine unauflösliche Einheit bilden: Wesentliche soziale Arbeit ist immer auch leiblich und physisch. Sie wird von wollenden Ichs an wollenden Ichs verrichtet. Und sie kann beseelt sein, wenn wir sie mit Leib und Seele ausüben. Mehr noch: Sie sollte beseelt sein. Denn wenn sie beseelt ist, dann erfasst sie diejenigen, die sie verrichten, in ihrer wesentlichen Ganzheit. Sie erfüllt sie dann mit Sinn und Glück. Wo soziale Arbeit beseelt ist, wird sie niemandem mehr bei der Arbeit krank machen oder dazu veranlassen, unter ihr zu leiden.

Aber noch einmal: Wie kommt man dahin? Wie können wir als Menschen wesentlich mit Menschen arbeiten? Wie wird soziale bzw. diakonische Arbeit wesentlich? Wie erfüllt sie uns mit Sinn? Nun können wir eine erste vorläufige Antwort wagen: Indem wir sie als Arbeit von Menschen an Menschen in allen – wenigstens den ersten drei – Dimensionen des Menschseins organisieren und verrichten: als Beziehungs- oder besser noch Begegnungsarbeit. Denn Begegnung meint hier so viel wie gelungene Beziehung. Was heißt das?

Einführung oder Vorwort
Am Anfang aller Meisterschaft steht das Verstehen: das Verstehen dessen, was man tut. Verstehen, was man tut, heißt mehr als bloß beschreiben können, was man tut. Wer versteht, hat nicht nur eine Antwort auf die Frage, was er tut, sondern weiß auch zu sagen, warum er es tut. Wer etwas versteht, hat dessen Sinn erschlossen. Und wer um den Sinn des eigenen Tuns weiß, wird auch in der Lage sein, diesen Sinn in seinem Tun zu erfahren. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, das eigene Tun als erfüllend und beglückend zu erfahren: darin aufzugehen, zu erblühen und sich wohl zu fühlen. Wer sein Tun als gut und sinnvoll erlebt, wird es darin nicht nur zur Meisterschaft bringen, sondern es wird ihm zugleich zu einer Quelle der Lebendigkeit und Lebensfreude. Am Anfang des Verstehens steht das Fragen: das Fragen danach, was es ist, was man da tut; oder der Appell, sich selbst in seinem Tun daraufhin zu befragen, was daran das Wesentliche ist. Als die die europäische Kultur im alten Griechenland ihren Anfang nahm, gab den Anstoß ein Appell: „Erkenne dich selbst!“ So stand es geschrieben an der Wand des großen Tempels des Apollon in dem Städtchen Delphi, wohin Tausende von ratsuchenden Pilgern zogen, um das dortige Orakel zu befragen. Was diese Worte zu bedeuten hatten, ist nicht schwer zu sehen: Wer erkennen möchte, was ein Mensch zu tun oder zu lassen hat, muss sich zunächst selbst befragen: nicht im Blick auf seine privaten Wünsche und Interessen, sondern im Blick darauf, wer er seinem Wesen nach ist – was es heißt, ein Mensch zu sein.

Denn nur wer das begriffen hat, wird ein gutes Leben führen können. Nur wer weiß, was ein wesentliches, wahres und sinnerfülltes Menschsein ist, wird es zu jener Meisterschaft des Menschseins bringen, die die Griechen Weisheit nannten. Nur wer es zur Meisterschaft des Menschseins bringt und den Sinn des Menschenlebens verstanden hat, wird Erfüllung, Glück oder Lebendigkeit erfahren. So dachten die alten Griechen – und erschufen aus diesem Denken heraus ihre unvergleichliche Kultur.

„Erkenne dich selbst!“ Der Appell klingt durch die Zeiten. Nicht als ein Gebot oder als eine Forderung; sondern als Einladung zu einem guten sinnerfüllten Leben – und ebenso als Einladung zu einer guten, sinnerfüllten Lebenspraxis; auch in der Sozialen bzw. Diakonischen Arbeit. Denn in jedem Teilbereich des Lebens gilt: Wer sein eigenes Tun und Arbeiten als sinnvoll und bejahenswert erleben möchte, wer mit Freude und Begeisterung seiner Arbeit nachzugehen wünscht, ist gut beraten, sich die Frage vorzulegen: Was ist das eigentlich, was ich täglich tue?

Das gilt auch für die Soziale bzw. diakonische Arbeit. Wem es darum zu tun ist, sie als eine sinnvolle und erfüllende Praxis zu erleben, der tut gut daran, über einige zentrale Fragen nachzudenken: Gibt es so etwas wie ein Wesen der Sozialen Arbeit – und wenn ja: Was ist es? Was ist eigentlich der Sinn Sozialer Arbeit? Woran muss ich mich orientieren, wenn ich meine Soziale Arbeit als etwas Gutes und Sinnvolles erleben möchte? Was muss ich verstanden haben, wenn ich verhindern möchte, dass ich die Lust und Freude an meiner Sozialen Arbeit verliere – oder schlimmstenfalls unter ihr zu leiden beginne?
Sinn und Freude bei der Sozialen Arbeit wird man nun erfahren, wenn man Antworten auf diese Frage geben kann: theoretisch und praktisch, mit Worten und Werken. In beidem zusammengenommen liegt die Meisterschaft sozialer Arbeit. An ihrem Anfang steht das Verstehen dessen, was Soziale Arbeit ist. Und am Anfang des Verstehens steht die Frage nach dem Wesen der Sozialen Arbeit […].

Über Quarch Christoph

„Ich bin Philosoph aus Leidenschaft. Seit mir als jungem Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt mich eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die ich als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben verstehe. Als Bestsellerautor, Redner, ZEIT-Reiseleiter/-veranstalter, Sinnstifter und Denkbegleiter für Unternehmen greife ich zurück auf die großen Werke der abendländischen Philosophie, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen. Ich freue mich darauf, Ihnen in diesem eBook die Welt der Sozialen Arbeit zu eröffnen. Mein Buch ist zudem auch als APPBOOK erhältlich. APPBOOKs sind „lebendige“ Bücher, eine mit Aktualisierungsfähigkeit besitzten. In diesem Medium veröffentliche ich stetig neue Kapitel und freue mich schon darauf, in dem integrierten Chat mich mit Ihnen auszutauschen! Schauen Sie gerne vorbei.“


Über Quarch Christoph

Dr. phil. Christoph Quarch (*1964 in Düsseldorf) ist Philosoph, Autor, Philosophie-Reise Veranstalter und -Leiter sowie Hochschullehrer für Ethik und Wirtschaftsphilosophie. Erfahren Sie mehr über Christoph Quarch unter: https://christophquarch.de