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Das Café zwischen Himmel und Erde

Das Café zwischen Himmel und Erde

Das Café zwischen Himmel und Erde
Taschenbuch 10,30
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Veröffentlicht 2019, von Max Lucado bei Francke-Buch, Thomas Nelson, a division of HarperCollins Christian Publishing, Inc., USA

ISBN: 978-3-96362-085-0
Auflage: 1. Auflage
279 Seiten
20.5 cm x 13.5 cm

 
Chelsea Chambers steht vor den Trümmern ihrer Ehe. Nachdem ihr Mann Sawyer sie betrogen hat, will sie sich und ihren Kindern eine neue Existenz aufbauen: Sie eröffnet das gemütliche Café ihrer Großmutter wieder.
Doch die Konkurrenz ist groß und das Café läuft schlecht – bis überraschend ein kostenloser Internetzugang installiert wird, über den jeder Besucher Gott genau eine Frage ...
Beschreibung
Chelsea Chambers steht vor den Trümmern ihrer Ehe. Nachdem ihr Mann Sawyer sie betrogen hat, will sie sich und ihren Kindern eine neue Existenz aufbauen: Sie eröffnet das gemütliche Café ihrer Großmutter wieder.
Doch die Konkurrenz ist groß und das Café läuft schlecht – bis überraschend ein kostenloser Internetzugang installiert wird, über den jeder Besucher Gott genau eine Frage stellen kann, die sofort beantwortet wird. Und plötzlich rennen die Kunden Chelsea die Tür ein …

Erstes Kapitel
Kapitel 1
Schon mit einer einzigen Tasse Kaffee konnte Chelsea Chambers die Welt erobern. Jetzt war es sechs Uhr morgens und sie hatte bereits mehrere Tassen getrunken. Vier, um genau zu sein. Dieser Tag schrie aber auch förmlich danach, denn heute eröffnete sie das Café ihrer Familie wieder. Das idyllische zweistöckige Gebäude lag in einem der ältesten Stadtviertel von San Antonio, dem King William District. Seit vielen Jahrzehnten empfing das altehrwürdige Haus hier seine Stammkundschaft. Während knapp zwei Kilometer entfernt die Wolkenkratzer wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, hatte sich der King William District seinen historischen Charme bewahren können. Alte, schindelgedeckte Häuser mit Dachgauben und schönen, hölzernen Eingangsterrassen, die von Pekannussbäumen flankiert wurden, standen im Schatten von dreißigstöckigen Bankgebäuden und Hotels.
Hier, in dieser Umgebung, war Chelsea aufgewachsen. Im Jahr 1968, gerade rechtzeitig zur Weltausstellung „Hemisfair“ in San Antonio, hatte ihre Großmutter Sophia das Erdgeschoss ihres viktorianischen Hauses in ein Café umgewandelt. Der Zusammenfluss der verschiedensten kulturellen Einflüsse in den beiden Amerikas war damals das Thema der Ausstellung gewesen und Sophia Grayson hatte die Türen ihres Cafés für die Gäste aus aller Welt geöffnet. Sogar Lady Bird Johnson, die Frau des damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson, hatte dem Café einen Besuch abgestattet – so war es Chelsea von ihrer stolzen Großmutter immer wieder erzählt worden. „Die First Lady hat genau da auf diesem Sofa gesessen und einen Cappuccino getrunken!“
Chelsea warf einen Blick auf das antike Queen-Anne-Sofa mit Blumenmuster, das nach all den Jahren immer noch an seinem Platz stand. Jede Nische, jeder Quadratmeter des Cafés war voller Erinnerungen. Nachdem Chelseas Großmutter Sophia gestorben war, hatte ihre Mutter Virginia das Erbe fortgeführt. Ganz im Sinne der Gastfreundschaft ihrer Mutter hatte sie ihren Gästen eine heiße, tröstende Tasse Kaffee sowie ein Stück Kuchen serviert und ihnen das eine oder andere Mal auch ein ermutigendes Gebet angeboten.
Nun war es an Chelsea, diese Tradition fortzuführen. Ihre Mutter hatte testamentarisch verfügt, dass Chelsea die 110 Quadratmeter große Wohnung im Obergeschoss bewohnen und das Café im Erdgeschoss wieder eröffnen sollte. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Die Leute waren immer in Eile und die Cafés trendy und durchgestylt. Die antiken Lampen, weichen Sofas, zierlichen Teetische und Holzböden in Chelseas Café hatten so gar nichts gemein mit den modern eingerichteten, angesagten Barista-Bars. Dennoch hoffte Chelsea, dass sich die früheren Stammkunden erneut vom Charme der „guten alten Zeit“ verzaubern ließen.
Die antike Standuhr in der Ecke schlug 6:30 Uhr. Chelsea schob ihre Gedanken beiseite und sah sich noch einmal prüfend um. Auf einer großen Schiefertafel standen in ihrer schönsten Handschrift die Angebote des Tages und die gläserne Theke offenbarte einen Blick auf Chelseas ganzen Stolz: Croissants und Cupcakes, nach geheimen Familienrezepten selbst gebacken. Die blauen Schwingtüren hinter der Theke verbargen eine blitzsaubere Küche, die sie an diesem Morgen bestimmt zehnmal geputzt hatte. Nun gab es nichts mehr zu tun.
Chelsea schloss die Eingangstür auf und schaltete das Retro-Neonschild im Fenster ein. „Hiermit ist das Higher Grounds Café offiziell wieder eröffnet!“, verkündete sie stolz. Der Name des Cafés, „Higher Grounds“, war gleichzeitig Programm – jeder Kunde sollte das Café in gehobener Stimmung verlassen. Chelsea, die den Namen beibehalten hatte, konnte nur hoffen, dass sie diesem Anspruch auch gerecht werden würde.
„Ist das nicht alles furchtbar aufregend?“, fragte sie ihren einzigen Angestellten. Tim nickte und zupfte an seinem sorgfältig nach oben gezwirbelten Schnauzbart. Das war weder besonders hygienisch noch wirkte es auch nur irgendwie begeistert. Vom Lebenslauf her war Tim der perfekte Mitarbeiter für Chelseas Café. Nach Abschluss seines Studiums an der Universität von Texas war er nach Rom gegangen und hatte dort gelernt, wie man einen ordentlichen Espresso zubereitet. Er sprach Italienisch und Spanisch und bezeichnete sich selbst als Frühaufsteher. Insgeheim fragte sich Chelsea jedoch, wie Tims Laune wohl um die Mittagszeit aussehen würde.
„Das ist ein historischer Moment!“, sagte sie in der Hoffnung, Tim wenigstens eine etwas enthusiastischere Reaktion entlocken zu können. Doch vergebens: Tims Gesichtsausdruck blieb unverändert. Allerdings trug er diese gequälte, ernste Miene fast immer zur Schau. Chelsea beschloss deshalb, sich davon nicht den Tag verderben zu lassen.
Der zwölfjährige Hancock polterte die Stufen aus dem Obergeschoss hinunter. Er trug ein viel zu großes Football-Shirt der „Dallas Cowboys“, auf dem der Name seines Lieblingsspielers, Chambers, stand. Er sah sich im Café um. „Wann öffnest du?“
„Wir haben geöffnet“, erwiderte Chelsea.
„Ja … aber … wo sind die Gäste?“ Hancock verstand es vorzüglich, Chelsea an sich selbst zweifeln zu lassen.
„Die werden schon noch kommen“, gab sie zur Antwort. „Wo ist deine Schwester?“
Genau in diesem Moment kam Emily die Stufen heruntergerannt, ein sechsjähriges Ebenbild ihrer Mutter. Doch während Chelsea unauffällige Kleidung bevorzugte, liebte Emily alles, was glitzerte. Ihre rosafarbenen Riemchen-Ballerinas, mit Glitter besetzt, waren der offensichtliche Beweis dafür.
„Hancock hat mir beim Anziehen geholfen“, verkündete sie stolz.
Chelsea bewunderte Emilys bunt zusammengewürfeltes Outfit, das von Streifen bis hin zu Pailletten so ziemlich alles abdeckte, und musste lächeln.
Die Chelsea, die sie noch gestern gewesen war, hätte ihre Kinder dazu gezwungen sich umzuziehen, bevor sie so gekleidet zur Schule gingen. Doch die neue Chelsea drückte ihren Kindern zum Frühstück Schokoladenmuffins in die Hand und zog eine Spur von Krümeln und Glitter nach sich, während sie die beiden zum Bus brachte.



„Ich hoffe, du kannst den Ansturm alleine bewältigen“, rief sie Tim beim Hinausgehen zu. Tim hielt als Antwort den Daumen in die Höhe.
Während Chelsea mit Hancock und Emily zum Bus eilte, fröstelte sie in der kalten Januarluft. Doch der Himmel zeigte sich in einem strahlenden Blau.
„Komm, lass uns deine Jacke zumachen“, sagte Chelsea und zog am Reißverschluss von Emilys Jacke. Dabei warf sie einen Blick auf die Eingangstür des Cafés und das schindelgedeckte Dach mit den pittoresken Gaubenfenstern.
Weinreben rankten sich entlang der Veranda, auf der zwei hölzerne Schaukelstühle standen. Der englische Rasen im Vorgarten wurde durch einen schmalen Fußweg in zwei Hälften geteilt. Wäre da nicht das „Higher Grounds Café“-Neonschild gewesen, hätte man das Gebäude für ein ganz normales, altes Wohnhaus halten können.
Es ist kaum zu glauben, dass das alles mir gehört. So viele Erinnerungen sind mit diesen Gemäuern verknüpft.
Doch mit jeder viktorianischen Häuserzeile, an der sie vorbeikamen, und jedem renovierten Haus im Kolonialstil, das sie passierten, erschien Chelsea ihr Familienerbe weniger einzigartig. Mit einem Mal kamen ihr unzählige Ideen, was sie an ihrem Haus noch verbessern müsste:
Neue Schaukelstühle für die Veranda kaufen
Fenster putzen
Blumen pflanzen … nein … erst mal lernen, Blumen zu pflanzen



„Du musst nicht mit uns hier an der Haltestelle warten“, riss Hancocks Stimme sie aus ihren Gedanken. Da kam der gelbe Schulbus bereits in Sicht. „Wir gehen diesen Weg doch schon seit zwei Monaten.“
Einen Moment lang sah Chelsea ganz deutlich die Züge von Hancocks Vater im Gesicht ihres Jungen – hohe Wangenknochen, große Augen, so blau wie der Himmel von Texas, blonde Haare und eine schmale, fast zarte Nase.
Ich hoffe nur, dass er nicht auch seine wilde Seite geerbt hat.
„Du hast recht, Hancock. Nach der Schule könnt ihr ja alleine vom Bus zurück nach Hause laufen, okay?“
Chelsea drehte sich zu Emily, die vor Aufregung ganz aus dem Häuschen war. „Hast du deine Lunchbox?“
„Si, madre“, erwiderte Emily fröhlich und klopfte auf ihren Rucksack. An ihrer neuen Schule lernte sie Spanisch und Emily liebte es, die erlernten Wörter direkt auszuprobieren.
Chelsea umarmte sie gerührt und wollte auch Hancock zum Abschied drücken, als sie den panischen Blick in seinen Augen bemerkte. Sie erinnerte sich daran, dass auch sie in diesem Alter nicht mehr gerne in der Öffentlichkeit von ihrer Mutter hatte umarmt werden wollen.
„Hancock, wir alle haben in der vergangenen Zeit viel durchgemacht – danke, dass ich mich immer auf dich verlassen konnte.“



Als der Bus davonfuhr, atmete Chelsea langsam tief ein. Das war eine neue Angewohnheit, denn normalerweise vergaß sie in der Hitze des Gefechts das Atmen oft komplett. Sie eilte zurück zum Café und kam gerade rechtzeitig, um ihren allerersten Kunden zu empfangen. Bo Thompson war mit seinen fast 1,90 Metern und siebzig Jahren eine unvergessliche Erscheinung, ein sanfter Riese. Er war einer der treuesten Stammkunden im Café ihrer Mutter gewesen und gleichzeitig einer der letzten, die bis zum Schluss regelmäßig gekommen waren. „Hier gibt’s den besten Kaffee in der Stadt“, hatte er immer geschworen. Dass sein Haus gleich auf der anderen Straßenseite lag, spielte dabei keine Rolle.
Als er Chelsea sah, nahm Bo seine Baseballkappe ab und entblößte einen schimmernden Glatzkopf. Er schüttelte Chelsea die Hand, die ganz in seinen großen Pranken verschwand.
„Das ist ein großer Tag für das ganze Viertel“, tönte er mit seiner tiefen Stimme.
„So ist es.“ Chelsea lächelte gewinnend.
„Entschuldige meine Kleidung, aber mein Football-Team hat gestern gewonnen.“ Bo öffnete seine Jacke und zeigte auf das Footballshirt mit den grünen und goldenen Farben der Green Bay Packers aus Wisconsin.
„Keine Angst, das macht mir nichts aus“, erwiderte Chelsea. „Ich mache mir in letzter Zeit ohnehin nicht viel aus Sport. Wenn ich mich recht erinnere, bekommst du einen kleinen Cappuccino mit extra viel Schaum?“
„Ich bin beeindruckt“, sagte Bo und grinste über das ganze Gesicht.



Chelsea bemerkte, dass Tims Blick sie während der Kaffeezubereitung kritisch verfolgte. Sie hatte zwar nicht in Italien gelernt, aber dennoch konnte sie einen guten Cappuccino zubereiten. Ihre Mutter hatte ihr beigebracht, wie man die Milch so dick aufschäumte, dass man sich darauf zur Ruhe betten könnte. Doch gerade als sie selbstzufrieden diesen Gedanken nachhing, begann die Espressomaschine zu stottern und zu spucken. Dann gab sie ihren Geist auf.
Chelsea hantierte am Dampfventil herum. „Aber ich habe doch gar nicht … warum ist das denn …“
Tim schlurfte zu Chelsea hinüber. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Bo einen Blick auf seine Armbanduhr warf.
„Wie wär’s mit einem schwarzen Kaffee?“, rief Bo mit einem Augenzwinkern.
„Ein schwarzer Kaffee. Der geht aufs Haus.“ Chelsea erstickte Bos Widerrede im Keim.
„Ich vermisse deine Mutter hier im Café. Aber es ist gut, dass du es wieder eröffnet hast“, sagte Bo nachdenklich, während Chelsea ihm das Getränk auf die Theke stellte. „Noch besser wäre es natürlich, wenn du weiterhin die fabelhaften Kürbis-Käsekuchen-Muffins deiner Mutter im Sortiment hättest.“
Chelsea lächelte in sich hinein. Es war gut zu wissen, dass die Rezepte, die sie für ihre Mutter kreiert hatte, bei den Leuten so gut angekommen waren.
„Hier, den schenke ich dir.“ Sie steckte einen frisch gebackenen Kürbis-Muffin in eine Papiertüte und reichte sie Bo.
Dieser konnte sich gar nicht genug bei ihr bedanken und versicherte Chelsea noch, dass sein Tag nun gerettet sei, bevor er das Café verließ.
„Wenn du die Dinge umsonst weggibst, wirst du nicht viel verdienen“, murmelte Tim.
„Danke für den wertvollen Hinweis“, gab Chelsea zurück.
Chelsea würde so viele Muffins verschenken, wie sie wollte. Sie hatte sich im Laufe der Zeit eine Menge köstlicher Rezepte einfallen lassen, weswegen ihre Schwester Sara ihr schon seit Jahren damit in den Ohren gelegen hatte, doch endlich ein Café zu eröffnen. Aber für Chelsea war das Higher Grounds Café nicht bloß ein Geschäft – es war ein sicherer Hafen.



Klingeling! „Überraschung!“ Der ruhige Morgen war in einen noch ruhigeren Nachmittag übergegangen, deshalb freute sich Chelsea besonders, als sie ihre Schwester mit einem Strauß Blumen in der Tür stehen sah.
„Mein Haus ist blitzblank und Tony beschäftigt unsere Zwillinge für ein paar Stunden. Also habe ich Zeit, bei deiner Neueröffnung dabei zu sein!“
Wenn Sara in einen Raum kam, hatte man immer das Gefühl, der Frühling zöge ein. Sie strahlte nur so vor Glück. Ihr blondes Haar trug sie lang und glatt und es schimmerte wie ein Sonnenaufgang. Ihre braunen Augen blitzten und wurden zu Halbmonden, wenn sie lächelte. Rechts zog sich ihr Mundwinkel dabei weiter nach oben als links, wo eine Narbe vom Mundwinkel quer über die linke Gesichtshälfte verlief.
Während Sara sie stürmisch umarmte, runzelte Chelsea fragend die Stirn. „Ich dachte, ihr würdet heute euer Haus den potenziellen Käufern zeigen?“
„Ach, die haben schon wieder abgesagt.“
„Oh nein! Aber denk daran, mein Angebot steht: Wenn ihr schließlich doch verkaufen könnt und ein neues Haus findet, helfe ich euch gerne mit der Anzahlung! Vielleicht werden wir ja sogar Nachbarn?“



Niemand wäre je von sich aus auf den Gedanken gekommen, dass Sara und Chelsea Schwestern waren. Während Sara vor Leben nur so sprühte, war Chelsea eher zurückhaltend. Sara war groß und blond, Chelsea nur mittelgroß und brünett wie ihre Mutter. Sara war immer von Männern umschwärmt gewesen, Chelsea eher weniger. Und dennoch waren die beiden die besten Freundinnen. Sara kümmerte sich um Chelsea. Und Chelsea bewunderte Sara. Seit mehr als zehn Jahren hatten die beiden davon geträumt, wieder in derselben Stadt leben zu können.
„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du wieder hier bist!“
Chelsea schnaubte leise. „Na ja, es war ja auch nicht so geplant.“
„Aber du bist hier und das ist alles, was zählt, nicht wahr?“
Einmal mehr bewunderte Chelsea den unauslöschlichen Optimismus ihrer Schwester. Sie hatte sich schon manchmal gefragt, ob Sara vielleicht mit einer Extraportion bedacht worden war.
„Du hast recht! Es ist super, dass wir wieder eröffnet haben! Super!“ Chelsea bemühte sich redlich, so viel Enthusiasmus wie ihre Schwester an den Tag zu legen. „Es tut mir auch ganz gut, mal wieder in die Anonymität abzutauchen und etwas Ruhe zu haben. Aber ein paar mehr Kunden wären schon nicht schlecht.“
Klingeling! Die Türglocke ertönte.
Chelsea lächelte. „Du bringst mir Glück, Sara!“
Tim hatte die ganze Zeit über im Hintergrund versucht, die Espressomaschine wieder in Gang zu setzen. Gerade in diesem Moment ertönte ein lautes, verheißungsvolles Zischen und Tim bemerkte mit zufriedenem Gesicht: „Wir sind zurück im Geschäft!“
Und nicht zu früh. Ein plötzlicher Ansturm von Kunden füllte das Café. Chelsea setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. „Herzlich willkommen im Higher Grounds! Was darf es sein?“
„Wir haben gehört, dass ihr hier ein paar signierte Football-Sachen der Dallas Cowboys vertickt.“ Der Anführer der Gruppe war riesig und trug eine Football-Jacke. Er war bestimmt der Football-Star seiner Schule.
„Es tut mir leid, davon weiß ich nichts. Aber unsere Kunden sagen, dass wir den besten Kaffee der Stadt verkaufen.“
„Unsere Kunden?“, murmelte Tim kaum hörbar hinter Chelseas Rücken.
Sie wusste, dass sie etwas übertrieben hatte.
„Aber Sie sind es doch, oder?“, fragte eine Abschlussballkönigin mit einem großen Starbucks-Thermobecher in der Hand. „Die Frau von diesem Football-Star?“
Chelsea fand keine Worte. „Ich bin …“
Sara kam ihr zu Hilfe. „Sie ist die Besitzerin dieses Cafés.“
„Ist Sawyer Chambers jetzt Ihr Mann oder nicht?“
Ein einfaches Ja oder Nein hätte in diesem Moment genügt, aber für Chelsea war es damit nicht getan. Die Situation war kompliziert und vielschichtig. Zu vielschichtig.
„Ein Junge aus der Klasse meines kleinen Bruders hat das behauptet.“ Der Quarterback drehte sich zu einer kleineren Version seiner selbst um. „Stimmt doch, oder?“
Klingeling! Hancock und Emily stürmten in das Café.
„Klar! Der da hat das in der Schule rumerzählt!“ Die kleinere Version des Quarterbacks zeigte geradewegs auf Hancock. Der erstarrte, weil er wusste, dass er nun in Schwierigkeiten steckte. Dennoch versuchte er, sich vor den älteren Schülern gelassen zu geben.
„Hey, Mann, alles cool … ich muss mal hoch, Hausaufgaben machen. Ich seh euch morgen in der Schule.“
Chelseas strafender Blick verfolgte Hancocks eiligen Rückzug.
„Ich wollte dir doch bloß ein paar Kunden besorgen“, murmelte er, während er die Treppe emporstieg.
Unterdessen hatte Emily ihre Tante Sara entdeckt und rannte fröhlich in ihre Arme.
Ein Junge aus der Gruppe hatte ein Bild auf seinem Smartphone aufgerufen und hielt es hoch, sodass alle es sehen konnten. „Na also, das ist sie doch – Mrs Sawyer Chambers!“
Mrs Chambers. So einfach war das. Schlicht und einfach. Quasi amisch.
„Sie sind doch auch irgendwie berühmt“, bemerkte der Junge.
Wenn ein Bild mehr sagte als tausend Worte, dann sagte eine Google-Bildersuche mehr als zehntausend. Jeder brauchte nur die unzähligen Bilder aufzurufen und hatte dann das Gefühl, Chelsea und ihren Mann, den berühmten Football-Star, besser zu kennen als sich selbst. Wie furchtbar! Das Café schien sich um Chelsea herum zusammenzuziehen und der Bildschirm des Smartphones immer größer zu werden. Und schließlich kam das Unvermeidliche …
„Wer ist das denn?“, fragte der junge Zauberer, der den Bildschirm seines Smartphones in eine Kinoleinwand verwandelt hatte. Ein Foto erstreckte sich von einem Ende der Welt zum anderen. Sawyer Chambers in den Armen einer rothaarigen Unbekannten. Jünger, dünner, schöner.
Der Anführer der Gruppe nahm das Bild in Augenschein und konstatierte mit einem Blick auf Chelsea, die hinter der Theke stand, das Offensichtliche: „Das sind aber nicht Sie!“
„Oh nein“, entfuhr es der Ballkönigin, der das Mitleid jetzt ins Gesicht geschrieben stand.
Während sich aller Augen auf Chelsea hefteten, gelang es ihr, möglichst ungerührt zu fragen: „Kann ich euch für meine Cupcakes begeistern?“
Die Ballkönigin brach als Erste das peinliche Schweigen. „Also, ich hätte gerne einen zum Mitnehmen …“ Sie bedeutete ihren Freunden, den Rückzug anzutreten.
Als sich das Café wieder geleert hatte, stützte sich Chelsea erschöpft auf die Theke. „Das Leben war so viel einfacher, als es noch kein Internet gab“, seufzte sie.
Ihre Schwester umarmte sie. „Mach dir bloß keine Gedanken um das Internet, das ist es nicht wert.“
„Du hast recht.“ Chelsea richtete sich auf. „Bestimmt wird es sich nie richtig durchsetzen.“


Über Max Lucado

Max Lucado wurde 1955 in Texas geboren. Er war Gemeindeleiter in Miami, ging danach als Missionar nach Brasilien und arbeitete anschließend als Pastor in San Antonio/USA. In etwa 20 Jahren hat er über 50 Bücher veröffentlicht, die mittlerweile eine Gesamtauflage von 33 Millionen erreicht haben.