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Aus der Welt

Aus der Welt

Grenzen der Entscheidung oder Eine Freundschaft, die unser Denken verändert hat

Aus der Welt
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Veröffentlicht 2017, von Michael Lewis bei Campus, W.W.Norton & Company, New York, USA

ISBN: 978-3-593-50686-9
Auflage: 1. Auflage
359 Seiten
21.5 cm x 13.5 cm

 
Wie gelangen wir zu unseren Entscheidungen, und warum liegen wir so oft daneben?

Daniel Kahneman war sich immer sicher, dass er sich irrte. Amos Tversky war sich immer sicher, dass er recht hatte. Der eine nimmt alles ernst, für den anderen ist das Leben ein Spaß. Die beiden weltberühmten Psychologen und Begründer der Verhaltensökonomie haben mit ihrer gemeinsamen Forschung unsere Annahmen ...
Textauszug

2


Der Außenseiter


Daniel Kahneman war ein Mann mit vielen Zweifeln, aber der sonderbarste betraf sein Gedächtnis. Er hatte ganze Vorlesungsreihen aus dem Kopf gehalten. Seine Studenten hatten den Eindruck, er kenne die gesamte Fachliteratur auswendig, und nicht weniger verlangte er von ihnen. Aber wenn man ihn nach einem vergangenen Ereignis fragte, dann antwortete er, dass er seinem Gedächtnis nicht traue und dass man seinem eigenen ebenso nicht trauen solle. Vielleicht war das nur Teil seiner lebenslangen Strategie, sich selbst zu misstrauen. "Wenn es ein Gefühl gibt, das ihn definiert, dann ist das der Zweifel", sagt einer seiner ehemaligen Studenten. "Deshalb fragt er immer weiter und bohrt immer tiefer." Oder vielleicht war es auch nur ein Schutz gegen neugierige Frager, die ihn verstehen wollten. Wie dem auch sei, Kahneman hielt großen Abstand zu den Ereignissen und Kräften, die ihn geprägt hatten.


Auch wenn er seinen Erinnerungen misstraute, blieben ihm noch einige. Zum Beispiel daran, wie er Ende 1941 oder Anfang 1942 - jedenfalls ein gutes Jahr nach dem Einmarsch der Deutschen in Paris - nach der Sperrstunde auf der Straße aufgegriffen wurde. Die neuen Gesetze verlangten von ihm, den gelben Davidstern auf seinem Pullover zu tragen. Das Symbol beschämte ihn so, dass er eine halbe Stunde früher zur Schule ging, damit die anderen Kinder ihn nicht sahen, wie er das Schulgebäude betrat. Und ehe er sich auf den Heimweg machte, drehte er seinen Pullover auf links.


Als er eines Abends nach Hause ging, kam ein deutscher Soldat auf ihn zu. "Er trug die schwarze Uniform, die ich mehr fürchtete als die anderen - es war die Uniform der SS", erinnerte er sich in einer biografischen Skizze für das Nobelpreiskomitee. "Ich beschleunigte meine Schritte, doch ich bemerkte, dass er mich aufmerksam ansah. Dann winkte er mich zu sich, hob mich hoch und umarmte mich. Ich hatte Angst, dass er den Stern in meinem Pullover entdecken könnte. Aufgewühlt redete er auf Deutsch auf mich ein. Dann setzte er mich ab, zog seine Geldbörse heraus, zeigte mir das Foto eines Jungen und drückte mir ein paar Münzen in die Hand. Als ich nach Hause ging, war ich so sicher wie nie, dass meine Mutter recht hatte: Menschen waren unendlich kompliziert und interessant."


Er erinnerte sich auch an den Anblick seines Vaters, nachdem dieser in einer großen Verhaftungswelle im November 1941 abgeholt worden war. Tausende Juden wurden zusammengetrieben und in Lager transportiert. Mit seiner Mutter verband Daniel ein kompliziertes Verhältnis, aber seinen Vater liebte er ganz einfach. "Mein Vater leuchtete - er hatte großen Charme." Er wurde in dem Sammellager in Drancy vor den Toren von Paris interniert. In einer Wohnanlage, die für siebenhundert Mieter ausgelegt war, lebten zeitweilig mehr als siebentausend Juden zusammengepfercht. "Ich erinnere mich, wie ich und meine Mutter ihn da besucht haben. Das Gebäude war irgendwie rosa-orange. Es waren eine Menge Leute da, aber man konnte keine Gesichter sehen. Man konnte Frauen und Kinder hören. Und ich erinnere mich an einen Wächter, der sagte: ›Es ist hart da drin. Sie essen Kartoffelschalen.‹" Für die meisten Juden war Drancy nur eine Station auf dem Weg in ein Konzentrationslager: Nach ihrer Ankunft wurden Kinder von ihren Müttern getrennt und in Zügen Richtung Osteuropa gebracht, um schließlich in Auschwitz vergast zu werden.


Daniels Vater wurde nach sechs Wochen entlassen, dank seiner Verbindung zu Eugène Schueller. Schueller war Gründer und Chef des französischen Kosmetikherstellers L'Oréal, wo Daniels Vater als Chemiker arbeitete. Später kam heraus, dass Schueller einer der Architekten einer Organisation war, die den Nationalsozialisten bei der Aufspürung und schließlichen Ermordung französischer Juden half. Bei seinem Star-Chemiker machte er allerdings eine Ausnahme: Er überzeugte die Deutschen, dass Daniels Vater "entscheidend für die Kriegsanstrengungen" sei, und so wurde er wieder nach Paris geschickt. An diesen Tag erinnert sich Daniel noch lebhaft. "Wir haben gewusst, dass er nach Hause kommt, und sind einkaufen gegangen. Als wir wiedergekommen sind, haben wir an der Tür geklingelt, und er hat aufgemacht. Er hat seinen besten Anzug getragen. Er hat 49 Kilo gewogen und bestand nur noch aus Haut und Knochen. Aber er hatte noch nichts gegessen. Das hat mich am meisten beeindruckt. Dass er mit dem Essen auf uns gewartet hat."


Weil sie einsehen mussten, dass selbst Schueller sie nicht schützen konnte, flohen sie aus Paris. Die Grenzen waren inzwischen geschlossen, und es gab keine Möglichkeit, an einen sicheren Ort zu gelangen. Daniel, seine ältere Schwester Ruth und seine Eltern Ephraim und Rachel flohen in den Süden, der nominell von der Vichy-Regierung verwaltet wurde. Unterwegs versteckten sie sich in Scheunen und entkamen mehrmals nur knapp einer Verhaftung. Noch in Paris hatte sein Vater falsche Ausweise besorgt, die leider Rechtschreibfehler enthielten. Daniel, seine Schwester und seine Mutter hießen "Cadet", aber sein Vater hatten den Nachnamen "Godet" erhalten. Um nicht aufzufliegen, musste Daniel seinen Vater mit "Onkel" ansprechen. Außerdem musste er für seine Mutter sprechen, deren erste Sprache Jiddisch war und die Französisch mit deutlichem Akzent sprach. Es war sonderbar, seine Mutter schweigen zu sehen, denn sie war eine Frau, die ansonsten sehr viel zu sagen hatte. Sie gab ihrem Mann die Schuld für ihre Lage. Sie waren nur deshalb in Paris geblieben, weil er sich von seinen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg hatte täuschen lassen. Damals sind die Deutschen nicht bis nach Paris gekommen, hatte er gesagt, also werden sie es diesmal auch nicht schaffen. Sie war anderer Ansicht gewesen. "Schon lange vor ihm hatte meine Mutter den Schrecken kommen sehen - sie war Pessimistin und hat sich um alles Sorgen gemacht, aber er war Optimist und hatte ein sonniges Gemüt." Schon damals spürte Daniel, dass er seiner Mutter ähnelte. Seine Haltung zu sich selbst war kompliziert.


Zu Beginn des Winters 1942 lebten sie in großer Furcht in einem Küstenstädtchen namens Juan-les-Pins. Sie lebten in Angst. Dank des Kollaborateurs hatten sie ein eigenes Haus mit einem Labor, in dem Daniels Vater weiter arbeiten konnte. Um nicht aufzufallen, schickten die Eltern Daniel zur Schule, doch sie warnten ihn, möglichst den Mund zu halten, um nicht allzu intelligent zu erscheinen. "Sie hatten Angst, dass man mich als Juden erkennen könnte." Solange er zurückdenken konnte, hatte er sich immer für einen frühreifen Bücherwurm gehalten. Zu seinem Körper hatte er wenig Bezug. Im Sportunterricht war er so schlecht, dass ihn Mitschüler später als "die lebende Leiche" bezeichnen sollten. Ein Sportlehrer verhinderte einmal, dass er eine akademische Auszeichnung erhielt, mit der Begründung "es hat alles seine Grenzen". Doch sein Gehirn war stark und beweglich. Seit er zum ersten Mal darüber nachgedacht hatte, was er als Erwachsener werden wollte, ging er davon aus, dass er ganz einfach ein Intellektueller sein würde. Das war das Bild, das er von sich selbst hatte: ein Gehirn ohne Körper. Nun hatte er ein neues Bild: ein gejagter Hase. Nun ging es nur noch ums Überleben.


Ab dem 11. November 1942 besetzten die Deutschen auch den Süden Frankreichs. Deutsche Soldaten in schwarzen Uniformen zerrten Männer aus Bussen und zogen sie aus, um zu sehen, ob sie beschnitten waren. "Wer erwischt wurde, war tot", erinnert sich Daniel. Sein Vater glaubte nicht an Gott. Als junger Mann hatte er seinem Geburtsland Litauen und einer Ahnenreihe illustrer Rabbiner den Rücken gekehrt und war nach Paris gegangen. Daniel war noch nicht bereit, den Glauben an eine fürsorgliche Macht im Universum aufzugeben: "Ich schlief unter demselben Moskitonetz wie meine Eltern. Sie lagen in einem großen Bett, ich in einem kleinen. Ich war neun. Ich habe zu Gott gebetet und gesagt, ich weiß, dass du sehr beschäftigt bist und dass die Zeiten schwer sind. Ich habe keine große Bitte, aber gib mir bitte noch einen Tag."


Wieder mussten sie fliehen, diesmal die Côte d'Azur hinauf nach Cagnes-sur-Mer und in ein Haus, das einem ehemaligen Oberst der französischen Armee gehörte. In den nächsten Monaten durfte Daniel das Haus nicht verlassen. Wieder und wieder las er In 80 Tagen um die Welt und verliebte sich in alles, was mit England zu tun hatte, vor allem aber in Phileas Foog. Der Oberst hatte ein ganzes Regal voller Bücher über die Schlacht von Verdun; auch die las Daniel und wurde so etwas wie ein Experte auf diesem Gebiet. Sein Vater arbeitete noch im Labor ihres alten Hauses und kam an den Wochenenden mit dem Bus, um bei seiner Familie zu sein. Freitags saß Daniel mit seiner Mutter im Garten, sah ihr dabei zu, wie sie Socken stopfte, und wartete auf die Ankunft des Vaters. "Wir wohnten auf einem Hügel und konnten die Bushaltestelle sehen. Wir haben nie gewusst, ob er kommen würde. Seit damals hasse ich das Warten."


Unterstützt durch die Vichy-Regierung und private Kopfgeldjäger wurden die Nationalsozialisten bei der Verfolgung der Juden immer effizienter. Daniels Vater litt an Diabetes, aber inzwischen war es für ihn gefährlicher, zum Arzt zu gehen, als sich nicht behandeln zu lassen. Wieder mussten sie fliehen. Erst kamen sie in Hotels unter und schließlich in einem Hühnerstall im Garten eines Landgasthauses in einem Dorf bei Limoges. Hier gab es keine deutschen Soldaten, nur die Miliz, die den Deutschen bei der Jagd nach Juden und dem Kampf gegen die Resistance half. Daniel hatte keine Ahnung, wie sein Vater diesen Ort gefunden hatte, doch er nahm an, dass L'Oréal damit zu tun hatte, denn das Unternehmen schickte weiterhin Lebensmittelpakete. Sie hatten den Hühnerstall abgeteilt, damit seine Schwester ein bisschen Privatsphäre besaß, doch das änderte nichts daran, dass der Stall nicht für menschliche Bewohner gemacht war. Im Winter wurde es so kalt, dass die Tür zufror. Bei dem Versuch, auf dem Ofen zu schlafen, handelte sich seine Schwester Brandflecken auf ihren Kleidern ein.


Um als Christen durchzugehen, besuchten die Kinder und die Mutter den Sonntagsgottesdienst in der Kirche des Ortes. Daniel, der inzwischen zehn war, ging wieder zur Schule, weil die Eltern der Ansicht waren, so falle er weniger auf, als wenn er sich im Hühnerstall versteckte. Seine neuen Mitschüler waren noch einfältiger als in Juan-les-Pins. Der Lehrer war freundlich, aber leicht zu vergessen. Die einzige Stunde, an die sich Daniel erinnerte, war die über Sexualkunde. Was er da hörte, erschien ihm derart absurd, dass er annahm, der Lehrer müsse sich irren. "Ich habe gesagt, das kann doch gar nicht sein! Zu Hause habe ich meine Mutter gefragt, aber die hat mir bestätigt, dass es genauso ist." Er glaubte es trotzdem nicht, bis er eines Nachts aufwachte und nach draußen musste. Dabei musste er über seine Mutter, die neben ihm schlief, hinwegklettern. Sie wachte auf und sah ihren Sohn über sich. "Sie war entsetzt. Da habe ich mir gedacht, vielleicht ist ja doch was dran."


Schon als Kind hegte er ein beinahe wissenschaftliches Interesse an anderen Menschen und wollte wissen, warum sie so dachten, wie sie dachten, und warum sie so handelten, wie sie handelten. Eigene Begegnungen machte er kaum. Er ging zur Schule, doch er mied den persönlichen Kontakt zu seinen Mitschülern und Lehrern. Doch aus der Distanz beobachtete er eine Menge interessante Verhaltensweisen. Sein Lehrer und die Gastwirtin mussten ahnen, dass er Jude war. Warum sonst sollte dieser frühreife Stadtjunge neben diesen Dorfbengeln die Schulbank drücken? Warum sonst sollte sich eine vierköpfige Familie in einen Hühnerstall zwängen? Aber sie ließen sich nichts anmerken. Sein Lehrer gab Daniel gute Noten und lud ihn sogar zu sich nach Hause ein, und die Gastwirtin Madame Andrieux bat ihn, bei ihr auszuhelfen, gab ihm vom Trinkgeld ab und versuchte sogar, seine Mutter zu überzeugen, mit ihr ein Bordell zu eröffnen. Auch viele andere Leute sahen offensichtlich nicht, was sie waren. Daniel erinnert sich besonders an einen jungen französischen Nazi, der ein Mitglied der Miliz war und erfolglos seiner Schwester nachstellte. Sie war inzwischen neunzehn und sah aus wie ein Filmstar. (Nach dem Krieg eröffnete sie dem Nazi genüsslich, dass er sich in eine Jüdin verliebt hatte.)


Am Abend des 27. April 1944 - Daniel weiß noch genau das Datum - unternahm sein Vater einen Spaziergang mit ihm. Er hatte dunkle Flecken im Mund. Er war 49, sah aber viel älter aus. "Er hat mir gesagt, dass ich Verantwortung übernehmen müsse", erinnert sich Daniel. "Dass ich mich als Mann im Haus verstehen solle. Er hat mir erklärt, wie ich zusammen mit meiner Mutter die Dinge in den Griff bekomme und dass ich der einzig Vernünftige in der Familie sei. Ich hatte ein Heft mit Gedichten, die habe ich ihm gegeben. In der Nacht ist er gestorben." Von dieser Nacht weiß Daniel nur noch, dass seine Mutter ihn zu Monsieur und Madame Andrieux schickte. In ihrem Dorf versteckte sich außer ihnen ein weiterer Jude. Seine Mutter kannte ihn, und zusammen brachten sie den Leichnam des Vaters weg, ehe Daniel nach Hause kam. Sie gab dem Vater ein jüdisches Begräbnis, aber Daniel durfte nicht teilnehmen, vermutlich weil es zu gefährlich gewesen wäre. "Ich war wütend über seinen Tod", sagt Daniel. "Er war ein guter Vater. Aber er war nicht stark gewesen."


Sechs Wochen später landeten die Alliierten in der Normandie. Nie begegnete Daniel einem Soldaten, keine Panzer rollten durch das Dorf, keine GIs verteilten Bonbons an die Kinder. Eines Tages wachte er auf, und es lag ein Gefühl der Freude in der Luft. Die Angehörigen der Miliz wurden abgeführt und erschossen oder eingesperrt, und einige Frauen liefen mit kahlgeschorenen Köpfen herum - als Strafe, dass sie sexuelle Beziehungen zu Deutschen unterhalten hatten. Im Dezember waren die Besatzer aus Frankreich zurückgedrängt worden, und Daniel und seine Mutter konnten nach Paris fahren, um zu sehen, was aus ihrer Wohnung und ihren Sachen geworden war. Daniel führte ein Notizbuch mit dem Titel "Was ich von meinen Gedanken notiere" ("Ich war vermutlich unausstehlich"). In Paris las er in einem der Schulbücher seiner Schwester einen Text von Blaise Pascal, der ihn inspirierte, in seinem Notizbuch einen eigenen Aufsatz zu verfassen. Die Deutschen unternahmen eine letzte Gegenoffensive in den Ardennen, und während Daniel und seine Mutter fürchteten, dass ihnen der Durchbruch glücken könnte, schrieb er einen Aufsatz, in dem er sich daranmachte, das menschliche Bedürfnis nach Religion zu erklären. Er begann mit einem Pascal-Zitat "Das ist der Glaube: Gott dem Herzen fühlbar, nicht dem Verstand" und fügte hinzu: "Wie wahr!" Dann folgte sein Gedanke: "Kirchen und Orgeln sind künstliche Möglichkeiten, dieses Gefühl zu erzeugen." Gott erschien ihm nicht mehr wie eine Macht, zu der man betete. Viele Jahre später sollte er sich mit einer Mischung aus Stolz und Beschämung an seine jugendliche Anmaßung erinnern. Seine frühreifen Aufsätze "hingen in meiner Vorstellung eng damit zusammen, dass ich Jude war, dass ich einen Kopf, aber keinen nützlichen Körper hatte und dass ich nie so sein würde wie die anderen Jungen".


Als Daniel und seine Mutter in ihre alte Wohnung in Paris zurückkamen, fanden sie nur noch zwei ramponierte grüne Stühle vor. Sie blieben trotzdem. Zum ersten Mal seit fünf Jahren konnte Daniel die Schule besuchen, ohne sich verstellen zu müssen. Jahrelang trug er in seinem Gedächtnis die Erinnerung an eine Freundschaft mit zwei gut aussehenden russischen Adeligen mit sich herum, die er damals schloss. Die Erinnerung war vielleicht deshalb so stark, weil er so lange gar keine Freunde gehabt hatte. Viele Jahre später stellte er seine Erinnerung auf die Probe, indem er die Brüder ausfindig machte und ihnen einen Brief schrieb. Einer der beiden war Architekt geworden, der andere Arzt. Sie antworteten ihm, dass sie sich natürlich an ihn erinnerten, und schickten ihm ein Foto, auf dem sie alle zu sehen waren. Daniel war nicht auf dem Bild. Sie mussten ihn mit jemand anderem verwechselt haben. Seine Freundschaft war die Ausgeburt einer einsamen Fantasie.


Die Kah
emans fühlten sich in Europa nicht mehr wohl und wanderten 1946 aus. Die Familie seines Vaters war in Litauen geblieben und zusammen mit rund sechstausend anderen Juden in ihrer Heimatstadt ermordet worden. Nur Daniels Onkel, ein Rabbiner, der zufällig zum Zeitpunkt des deutschen Überfalls außer Landes war, hatte überlebt. Genau wie die Familie der Mutter lebte er inzwischen in Palästina, also zogen auch sie dorthin. Ihre Ankunft war immerhin so bedeutsam, dass sie gefilmt wurde (der Film ist allerdings verschollen). Daniel erinnerte sich später nur noch, dass ihm sein Onkel ein Glas Milch gab. "Ich erinnere mich noch, wie weiß es war. Es war mein erstes Glas Milch seit fünf Jahren." Die Familie zog zu den Verwandten der Mutter nach Jerusalem. Dort traf Daniel ein Jahr später eine Entscheidung über Gott. "Ich erinnere mich noch genau, wo ich war - auf der Straße in Jerusalem. Ich habe mir gedacht, ich kann mir vorstellen, dass es einen Gott gibt, aber keinen, der sich dafür interessiert, ob ich masturbiere oder nicht. Also bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Gott gibt. Das war das Ende meines religiösen Lebens."


Und das ist auch schon so ziemlich alles, woran sich Daniel Kahneman auf die Frage nach seiner Kindheit erinnert oder erinnern will. Seit seinem siebten Lebensjahr hatte man ihm eingeschärft, niemandem zu vertrauen, und daran hatte er sich gehalten. Sein Leben hing davon ab, dass er sich abseits hielt und niemanden sehen ließ, wer er wirklich war. Er sollte einer der einflussreichsten Psychologen der Welt und ein origineller Connaisseur menschlicher Irrtümer werden. In seiner Arbeit sollte er unter anderem untersuchen, welchen Einfluss unsere Erinnerung auf unsere Entscheidungen hat. Zum Beispiel wie sich ein Mann durch die Erinnerung an den vergangenen Krieg verführen ließ, das Verhalten der Deutschen im gerade stattfindenden Krieg falsch einzuschätzen. Oder wie ein SS-Mann durch die Erinnerung an einen Jungen in Deutschland nicht erkannte, dass der Junge, den er in einer Straße in Paris in die Arme nahm, ein Jude war.


Aber seine eigenen Erinnerungen erschienen ihm nicht sonderlich relevant. Ein Leben lang beharrte er darauf, dass die Vergangenheit kaum einen Einfluss darauf gehabt habe, wie er die Welt oder wie die Welt ihn sah. "Es heißt, dass wir von unserer Kindheit geprägt werden", erwiderte er, wenn man nachhakte. "Aber ich bin mir da nicht so sicher." Selbst Menschen, zu denen er Vertrauen fasste, erzählte er nichts von seinen Erfahrungen während des Holocaust. Er sprach erst darüber, nachdem er den Nobelpreis bekommen hatte und Journalisten ihn drängten, Einzelheiten aus seiner Biografie preiszugeben. Seine Freunde erfuhren aus der Zeitung, was mit ihm passiert war.





Die Kahnemans kamen rechtzeitig zu einem neuen Krieg in Jerusalem an. Im Herbst 1947 gab Großbritannien das Palästina-Problem an die Vereinten Nationen weiter, die am 29. November eine Resolution verabschiedeten, mit der das Land in zwei Staaten geteilt wurde. Der neue jüdische Staat sollte eine Fläche von etwa 14?000 Quadratkilometern haben, der arabische Staat etwas weniger. Jerusalem mit seinen heiligen Stätten sollte zu keinem der beiden Staaten gehören. Seine Bewohner der Stadt würden Bürger der Stadt Jerusalem, aber in der Praxis gab es ein arabisches und ein jüdisches Jerusalem, und man tat sein Bestes, die jeweils anderen umzubringen. Die Wohnung, in der Daniel und seine Mutter lebten, lag in der Nähe der inoffiziellen Grenze, und einmal flog eine Kugel durch Daniels Zimmer. Der Anführer seiner Pfadfindertruppe wurde getötet.


Trotzdem sei ihm das Leben nicht sonderlich gefährlich vorgekommen, erzählt Daniel. "Es war ganz anders. Weil man kämpfte. Deshalb war es besser. In Europa hatte ich es gehasst, ein Jude zu sein. Ich wollte nicht mehr gejagt werden. Ich wollte kein Karnickel mehr sein." Eines Abends im Januar 1948 sah er begeistert zum ersten Mal jüdische Soldaten: Im Keller seines Hauses hatten sich 38 junge Kämpfer versammelt. Im Süden des kleinen Landes hatten die Araber einige kleine Siedlungen abgeriegelt, und diese Soldaten zogen aus, um die Blockade zu beseitigen. Drei machten unterwegs kehrt - einer hatte sich den Fuß verstaucht und wurde von zwei seiner Kameraden nach Hause gebracht. So kam es, dass die Gruppe als "die 35" in die Geschichte einging. Sie wollten den Schutz der Dunkelheit nutzen, doch bei Sonnenaufgang waren sie noch weit von ihrem Ziel entfernt. Unterwegs begegneten sie einem arabischen Schäfer und beschlossen, ihn ziehen zu lassen - so hörte es zumindest Daniel. Der Schäfer informierte die arabischen Kämpfer, die dann den 35 auflauerten, sie töteten und ihre Leichen verstümmelten. Daniel schüttelt den Kopf über diese fatale Entscheidung: "Wissen Sie, warum sie umgebracht wurden? Weil sie sich nicht dazu durchringen konnten, einen Schäfer zu erschießen."


Wenige Monate später fuhr ein Konvoi von Ärzten und Schwestern unter der Flagge des Roten Kreuzes vom jüdischen Teil der Stadt zum Krankenhaus, das wie die Hebräische Universität auf dem Skopusberg liegt. Der Skopusberg befand sich hinter den arabischen Linien und war nur über eine schmale, zwei Kilometer lange Straße zu erreichen, die von den Briten geschützt wurde. Die meisten Fahrten verliefen ereignislos, doch an diesem Tag explodierte eine Bombe, und der Konvoi musste anhalten. Arabische Maschinengewehre eröffneten das Feuer auf die Busse und Krankenwagen. Einige Fahrzeuge des Konvois konnten wenden und fliehen, doch die Busse waren in der Falle. Als die Schüsse aufhörten, waren 87 Menschen tot, und ihre Körper so unkenntlich, dass sie in einem Massengrab beigesetzt werden mussten. Einer von ihnen war Enzo Bonaventura, ein Psychologe, der neun Jahre zuvor aus Italien gekommen war, um an der Hebräischen Universität den Fachbereich Psychologie aufzubauen. Seine Pläne starben mit ihm.


Wenn sich Daniel bedroht gefühlt haben sollte, dann gab er dies später nicht mehr zu. "Es schien so unwahrscheinlich, dass wir fünf arabische Staaten besiegen sollten. Aber wir haben uns keine Sorgen gemacht. Ich habe nichts von einer Untergangsstimmung mitbekommen. Natürlich wurden Menschen getötet. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg war das für mich ein Picknick." Seine Mutter sah das offenbar anders, denn sie nahm den Vierzehnjährigen und zog mit ihm von Jerusalem nach Tel Aviv.


Am 14. Mai 1948 erklärte Israel seine Unabhängigkeit, und am nächsten Tag zogen die britischen Truppen ab. Die Armeen von Jordanien, Syrien und Ägypten griffen an, unterstützt von Einheiten aus dem Irak und dem Libanon. Monatelang wurde Jerusalem belagert, und auch in Tel Aviv war das Leben alles andere als normal. An dem Strandabschnitt, an dem heute das Hotel Intercontinental steht, befand sich eine Moschee, von deren Minarett aus arabische Heckenschützen auf jüdische Schulkinder schossen. "Überall flogen die Kugeln", erinnert sich Shimon Shamir, der bei Kriegsbeginn vierzehn Jahre alt war und später israelischer Botschafter in Ägypten und Jordanien werden sollte.


Shamir war Daniels erster wirklicher Freund. "Die anderen Kinder hatten das Gefühl, dass zwischen ihm und ihnen eine Kluft bestand", erzählt Shamir. "Er wollte keiner Gruppe angehören. Er war sehr wählerisch. Ein Freund reichte ihm." Bei seiner Ankunft in Israel hatte Daniel kein Wort Hebräisch gesprochen, aber als er ein Jahr später in Tel Aviv an die Schule kam, beherrschte er es fließend. Englisch sprach er besser als alle anderen in der Klasse. "Er galt als Genie. Ich habe ihn aufgezogen und gesagt, du wirst mal berühmt. Das war ihm peinlich. Ich hoffe, das ist kein Rückschaufehler, aber ich hatte damals das Gefühl, dass er es weit bringen würde."


Allen war klar, dass Daniel anders war als die anderen Jungen. Er legte es nicht darauf an, er war es einfach. "In unserer Klasse war er der einzige, der versuchte, mit einem britischen Akzent zu sprechen", erinnert sich Shamir. "Wir fanden das komisch. Aber so war er eben, das lag nicht daran, dass er Flüchtling war." Schon mit vierzehn war Daniel ein Intellektueller, der im Körper eines Jungen gefangen ist. "Er hat sich immer mit irgendwelchen Fragen und Problemen beschäftigt. Irgendwann hat er mir einen langen Aufsatz gezeigt, den er nur für sich geschrieben hatte - das war komisch, denn Aufsätze waren etwas Lästiges, und man schrieb sie nur für die Schule und über ein Thema, das der Lehrer vorgab. Ich war beeindruckt, dass jemand einen langen Aufsatz schreiben könnte, der nichts mit der Schule zu tun hat, nur weil ihn das Thema interessiert. Er verglich die Persönlichkeit eines englischen Gentleman mit der eines griechischen Adeligen in den antiken Mythen." Shamir hatte den Eindruck, dass Daniel in Büchern nach Dingen suchte, die andere Kinder von den Menschen in ihrer Umgebung erhielten: "Ich glaube, er hat nach einem Ideal oder einem Vorbild gesucht."


Der Unabhängigkeitskrieg dauerte zehn Monate. Am Ende war der jüdische Staat doppelt so groß, 1 Prozent der Israelis waren tot, zehntausend Araber waren gefallen, und eine dreiviertel Million Palästinenser hatten ihre Heimat verloren. Nach dem Krieg zogen Daniel und seine Mutter zurück nach Jerusalem und Daniel fand seinen zweiten guten Freund, einen Jungen namens Ariel Ginsberg, der aus einer englischen Familie stammte.


Tel Aviv war arm, aber Jerusalem war noch ärmer. Niemand besaß eine Kamera, ein Telefon oder auch nur eine Türklingel. Wenn man einen Freund besuchen wollte, dann ging man zu seinem Haus und klopfte an die Tür oder pfiff. Daniel ging oft zu Ariel und pfiff, und wenn Ariel herunterkam, steuerten sie das YMCA an, um zu schwimmen oder Tischtennis zu spielen. Dabei sprachen sie kein Wort. Für Daniel war das eine perfekte Beziehung, und Ginsberg erinnerte ihn an Phileas Fogg. "Daniel war anders", erzählt Ginsberg. "Er fühlte sich anders und hielt sich abseits. Ich war sein einziger Freund."


Nach dem Unabhängigkeitskrieg verdoppelte sich binnen weniger Jahre die Bevölkerung Israels von 600?000 auf 1,2 Millionen Menschen. Nirgends und nie kann es für jüdische Neuankömmlinge leichter gewesen sein, sich in eine Gesellschaft einzufügen. Aber Daniel wollte sich gar nicht einfügen. Er fühlte sich nicht zu Einwanderern hingezogen, sondern zu gebürtigen Israelis. Aber er selbst schien kein Israeli zu sein. Wie viele israelische Jugendliche schloss er sich den Pfadfindern an, doch er verließ die Gruppe schon bald wieder, weil er und Ariel zu dem Schluss gekommen waren, dass das nichts für sie sei. Obwohl er schnell Hebräisch gelernt hatte, sprach er mit seiner Mutter nur Französisch, und das oft in ärgerlichem Ton. "Es war kein glückliches Zuhause", meint Ginsberg. "Seine Mutter war eine verbitterte Frau. Er und seine Schwester zogen aus, sobald sie konnten." Israels Angebot einer neuen, vorgefertigten Identität schlug Daniel aus. Sein Angebot, ein Ort zu sein, an dem er sich eine eigene Identität schaffen konnte, nahm er an.


Welche Identität das sein sollte, ließ sich nur schwer greifen, auch weil Daniel selbst kaum zu greifen war. Er schien sich nicht festlegen zu wollen. Seine Freundschaften und Bindungen wirkten lose und vorläufig. Ruth Ginsberg, die Freundin und spätere Frau seines Freundes, meinte: "Daniel hatte schon früh beschlossen, keine Verantwortung zu übernehmen. Er hatte ständig das Bedürfnis, seine Entwurzelung zu erklären. Er wollte jemand sein, der keine Wurzeln brauchte. Er wollte sein Leben als eine Abfolge von Zufällen sehen - es ist so gekommen, aber es hätte auch ganz anders kommen können. Man macht das Beste aus diesen gottlosen Umständen."


Wenn Daniel kein Bedürfnis nach einer Heimat oder Zugehörigkeit zu haben schien, dann war dies besonders auffällig in einem Land, in dem sich so viele Menschen nach Heimat und Zugehörigkeit sehnten. "Ich bin 1948 angekommen und wollte so sein wie sie", erinnert sich Geologieprofessor Yeshu Kolodny, der genauso alt ist wie Daniel und dessen Familie im Holocaust ermordet worden war. "Ich wollte Sandalen und kurze Hosen tragen und den Namen von jedem verdammten Hügel und Tal kennen. Und vor allem wollte ich meinen russischen Akzent loswerden. Ich habe mich ein bisschen für meine Geschichte geschämt. Ich habe die Helden meines Volkes verehrt. Daniel hat das alles nicht gefühlt. Er hat auf Israel herabgesehen."


Daniel war ein Flüchtling im Stile von Vladimir Nabokov - er hielt Abstand und beobachtete die Einheimischen mit scharfem Blick. Mit fünfzehn machte er einen Berufswahltest, der ihm eine Laufbahn als Psychologe vorschlug. Das schien ihn nicht weiter zu überraschen. Er hatte immer das Gefühl, dass er eine Art Professor werden würde, und die Fragen zum menschlichen Verhalten waren ihm schon immer interessanter erschienen als alle anderen. "Mein Interesse an der Psychologie war meine Art zu philosophieren", sagt er. "Die Welt zu verstehen, indem ich verstehe, warum wir, und vor allem ich, sie so sehen, wie wir sie sehen. Die Frage, ob es einen Gott gibt, ließ mich inzwischen kalt. Aber mich faszinierte die Frage, warum Menschen an einen Gott glauben. Die Frage nach Richtig und Falsch fand ich langweilig, aber ich wollte wissen, warum sich Menschen empören. Wenn das kein Psychologe ist!"





Die meisten Israelis wurden nach der Schule zum Militärdienst eingezogen. Der als hochbegabt eingestufte Daniel durfte jedoch direkt mit dem Studium beginnen und entschied sich für Psychologie. Wie dieses Studium aussehen sollte, war jedoch nicht ganz klar, denn die einzige Universität des Landes lag hinter den arabischen Linien, und der Aufbau des Fachbereichs Psychologie war durch einen arabischen Anschlag vorerst unterbrochen worden. So kam es, dass der siebzehnjährige Daniel Kahneman eines Herbstmorgens des Jahres 1951 in einem Jerusalemer Kloster, das der Hebräischen Universität als vorläufige Zweigstelle diente, in einer Mathematikvorlesung saß. Aber selbst hier schien er nicht hinzugehören. Die meisten anderen Studenten hatten gerade ihren dreijährigen Militärdienst hinter sich gebracht und viele von ihnen hatten Kampfeinsätze erlebt. Daniel war jünger, und in Anzug und Krawatte sah er in den Augen seiner Kommilitonen grotesk aus.


Die nächsten drei Jahre brachte Daniel im Grunde damit zu, sich sein Fach im Selbststudium zu erschließen, denn seine Professoren konnten ihm kaum helfen. "Meine Statistikprofessorin habe ich sehr gemocht", erinnert er sich. "Aber sie hat Statistik nicht von Bohnen unterscheiden können. Also habe ich es mir mit Büchern selbst beigebracht." Das Kollegium bestand weniger aus Experten als aus einer Ansammlung von faszinierenden Persönlichkeiten, die bereit waren, sich in Israel niederzulassen. "Es waren charismatische Lehrer, die keine Lebensläufe mitbrachten, sondern Biografien", erinnert sich Avishai Margalit, der nach seinem Studium an der Hebräischen Universität nach Stanford wechselte, um dort Philosophie zu unterrichten. "Sie hatten ein ereignisreiches Leben hinter sich."


Am lebhaftesten erinnert sich Daniel an Jeshajahu Leibowitz, der aus Deutschland stammte, in den dreißiger Jahren über die Schweiz nach Palästina gekommen war und Abschlüsse in Medizin, Chemie, Wissenschaftsphilosophie und, so ging das Gerücht, einer Reihe anderer Fächer hatte. Er war siebenmal durch die Führerscheinprüfung gefallen. "Wenn man ihn auf der Straße sah, war er ein schräger Anblick", erinnert sich seine Studentin Maya Bar-Hillel. "Er hatte die Hosen bis zum Kinn hochgezogen, die Schultern vornübergebeugt und ein Kinn wie Fred Feuerstein. Er hat Selbstgespräche geführt und dabei in der Luft herumgefuchtelt. Aber mit seinem Denken hat er junge Menschen aus dem ganzen Land begeistert." Egal was Leibowitz unterrichtete - und es schien kein Fach zu geben, das er nicht unterrichtete -, immer bot er Unterhaltung auf hohem Niveau. "Ich habe Biochemie bei ihm belegt, aber im Grunde war es Lebenskunde", erinnert sich ein anderer Student. "Leibowitz hat einen großen Teil seines Kurses darauf verwendet, sich über die Dummheit von Ben-Gurion auszulassen." David Ben-Gurion war der erste Premierminister Israels. Eine von Leibowitz' Li
blingsgeschichten handelte von einem Esel, der zwischen zwei Heuhaufen steht. Der Fabel nach kann sich der Esel nicht entscheiden, von welchem er fressen soll, und verhungert. "Aber Leibowitz erklärte uns, so dumm sei kein Esel - der würde einfach einen der beiden Heuhaufen auswählen und davon fressen. Nur Menschen machten sich das Leben so kompliziert, wenn sie Entscheidungen treffen sollen. Und dann sagte er: ›Was in einem Land passiert, in dem Esel Entscheidungen treffen, die von Menschen getroffen werden sollten, das können Sie jeden Tag in der Zeitung lesen.‹ Seine Vorlesungen waren immer voll."


Daniels Erinnerung an Leibowitz ist bezeichnend. Ihm war weniger das, was er sagte, im Gedächtnis geblieben als wie er mit der Kreide auf die Tafel schlug, um eine Aussage zu unterstreichen. Es knallte wie ein Pistolenschuss.


Trotz seines jungen Alters und unter diesen Umständen nahm Daniels Denken bereits Konturen an, und sei es nur anhand der Strömungen, denen er sich widersetzte. Damals lag Freud in der Luft, doch Daniel wollte niemanden auf seiner Couch, und er wollte sich auch selbst auf keine Couch legen. Er hatte beschlossen, seinen eigenen Kindheitserfahrungen keine Bedeutung beizumessen - warum sollte er sich dann für die anderer Leute interessieren? Gleichzeitig verlangten Anfang der Fünfziger immer mehr Psychologen, ihre Disziplin müsse wissenschaftlichen Anforderungen genügen. Sie wandten sich vom Innenleben der Psyche ab - wenn man nicht in die menschliche Seele schauen konnte, wie konnte man dann so tun, als untersuche man sie? Ihrer Ansicht nach war das einzige, was sich wissenschaftlich untersuchen ließ, das Verhalten von Lebewesen.


Die führende psychologische Schule der Zeit war der Behaviorismus. Ihr Vordenker B. F. Skinner hatte seine Laufbahn während des Zweiten Weltkriegs begonnen, als er im Auftrag der U.S. Air Force Tauben beibrachte, Raketen ins Ziel zu steuern. Mit Belohnungen brachte Skinner den Vögeln bei, auf einer Karte den gesuchten Punkt anzupicken und damit das Geschoss auf Kurs zu halten. (Weil die Tauben nicht mehr ganz so freudig bei der Sache waren, wenn um sie herum Flugabwehrgranaten explodierten, kamen sie nie zum Einsatz.) Nach seinem Erfolg als Taubentrainer formulierte Skinners seine einflussreiche Theorie, dass tierisches Verhalten nicht von Gedanken und Gefühlen gesteuert wird, sondern von äußerlichen Belohnungen und Strafen. Er sperrte Ratten in die nach ihm benannte Skinner-Box und brachte ihnen bei, Knöpfe und Hebel zu betätigen. Er brachte Tauben bei, zu tanzen, Tischtennis zu spielen und auf einem Klavier "Take Me Out to the Ball Game" zu spielen.


Die Behavioristen gingen davon aus, dass ihre Erkenntnisse über Ratten und Tauben auch auf Menschen zutrafen, die man bedauerlicherweise nicht so ohne weiteres untersuchen konnte. "Für den Leser, der dies auf menschliches Verhalten übertragen möchte, sei eine Warnung ausgesprochen", schrieb Skinner in einem seiner Aufsätze. "In unserem Programm ist es erforderlich, relevante Verstärkungen zu verabreichen beziehungsweise vorzuenthalten. In Menschen bewirkt dies mit großer Wahrscheinlichkeit emotionale Effekte, die von der Verhaltensforschung noch nicht in ausreichendem Maße ausgeschlossen werden können." Der Behaviorismus schien besonders verlockend, weil er sich als reine Wissenschaft gab: Die Reize ließen sich beobachten, die Reaktionen messen. Das hatte nichts mit Gefühlen zu tun und schien "objektiv" zu sein. Die wichtigen Dinge waren beobachtbar und messbar. Skinner selbst erzählte gern einen Witz, der den klinischen Geist des Behaviorismus auf den Punkt brachte: Ein Paar hat Sex. Danach dreht er sich zu ihr um und sagt: "Für dich war es gut. Wie war es für mich?"


Die führenden Behavioristen waren weiße amerikanische Protestanten - eine Tatsache, die angehenden Psychologen der fünfziger Jahre nicht entging. Damals schien es nicht ein Fach zu geben, sondern zwei, die keinerlei Berührungspunkte hatten: "amerikanische Psychologie" und "jüdische Psychologie". Die amerikanischen Psychologen, zu erkennen an ihren weißen Laborkitteln und Klemmbrettern, dachten sich neue Foltermethoden für Ratten aus und taten alles, um dem Chaos der menschlichen Erfahrung aus dem Weg zu gehen. Die jüdischen Psychologen stürzten sich genau auf dieses Chaos - selbst diejenigen, die Freuds Methoden ablehnten, "Objektivität" einforderten und nach wissenschaftlich überprüfbaren Wahrheiten suchten.


Daniel gehörte zu Letzteren. Die psychologische Richtung, die ihn am meisten interessierte, war die Gestaltpsychologie. Sie hatte ihre Ursprünge im Berlin des frühen 20. Jahrhunderts und versuchte, mit wissenschaftlichen Mitteln den Geheimnissen des menschlichen Denkens auf den Grund zu gehen. Die Vertreter der Gestaltpsychologie hatten einige interessante Phänomene entdeckt: Licht erschien heller, wenn es aus der völligen Dunkelheit kam; die Farbe Grau wirkte in einer violetten Umgebung grün und in einer gelben Umgebung blau; und wenn man zu jemanden sagte "Tritt nicht auf die Bananen-Aale!", dann hörte dieser nicht "Aale", sondern "Schale". Die Gestaltpsychologen zeigten, dass kein direkter Zusammenhang bestand zwischen einem äußerlichen Reiz und dem Gefühl, das dieser hervorrief, weil das Denken auf sonderbarste Weise zwischen die beiden trat. Daniel war besonders beeindruckt davon, wie Gestaltpsychologen in ihren Büchern Erfahrungen nachvollziehbar machten und ihren Lesern die Möglichkeit gaben, das geheimnisvolle Wirken ihres Denkens selbst zu erleben.


Wenn wir bei klarer Nacht zum Himmel hinaufblicken, so werden einige Sternbilder sofort als in sich zusammengehörig und von der Umgebung relativ abgesondert gesehen, wie zum Beispiel Cassiopeia und der große Bär. Schon vor sehr langen Zeiträumen sah man die gleiche Gruppenbildung am Himmel, und gegenwärtig brauchen Kinder gar nicht viel Belehrung für das Wahrnehmen dieser Einheiten. - Abbildung 1 zeigt uns anschaulich zwei Gruppen von schwarzen Flecken.





Abbildung 1: Nach Wolfgang Köhler, Psychologische Probleme.


Berlin: Springer, 1933, S.?97.


Weshalb nicht einfach sechs Flecken? Oder zwei andere Gruppenbildungen? Oder drei Gruppen zu je zwei Gliedern? Wer unbefangen auf die Abbildung blickt, hat vor sich anschaulich eine ganz bestimmte Gruppierung, nach welcher zwei Gruppeneinheiten ausgesondert sind und jede drei Flecken enthält.


Aus: Wolfgang Köhler, Psychologische Probleme. Berlin: Springer, 1933, S.?97f.


Im Mittelpunkt der Gestaltpsychologie stand eine Frage, die die Behavioristen bewusst ausklammerten: Wie erzeugt das Gehirn Sinn? Wie fügt es die von den Sinnesorganen aufgenommenen Bruchstücke zu einem stimmigen Bild der Wirklichkeit zusammen? Warum entsteht so oft der Eindruck, als stülpe das Gehirn der Welt dieses Bild über, statt umgekehrt? Wie fügt ein Mensch die Scherben seiner Erinnerung zu einer zusammenhängenden Lebensgeschichte zusammen? Warum hängt der Sinn, den wir etwas Gesehenem geben, von dem Zusammenhang ab, in dem wir es sehen? Oder um es weiter zu treiben: Wenn in Europa eine Regierung an die Macht kommt, die die Vernichtung der Juden propagiert, warum erkennen dann einige Juden die Bedrohung und fliehen, während andere bleiben und ermordet werden? Diese und ähnliche Fragen hatten Daniel zur Psychologie geführt. Das waren Fragen, die nicht einmal die schlaueste Ratte beantworten konnte. Wenn es Antworten darauf gab, dann waren diese nur im menschlichen Denken zu finden.


Später sollte Daniel die Wissenschaft mit einem Gespräch vergleichen. Die Psychologie war allerdings eher so etwas wie eine laute Party, auf der die Gäste aneinander vorbeiredeten und dauernd das Thema wechselten. Die Gestaltpsychologen, Behavioristen und Freudianer wurden zwar alle in ein Gebäude gesteckt, über dessen Eingang ein Schild mit der Aufschrift "Fachbereich Psychologie" stand, doch sie verschwendeten nicht allzu viel Zeit darauf, einander zuzuhören. Die Psychologie war nicht mit der Physik zu vergleichen, und nicht einmal mit den Wirtschaftswissenschaften. Es gab nicht die eine zentrale Theorie, um die herum das gesamte Fach aufgestellt war, ja, es gab nicht einmal Regeln für eine gemeinsame Diskussion. Die Vertreter einer Denkrichtung konnten die Arbeit der Psychologen einer anderen Schule als absoluten Schwachsinn bezeichnen, ohne dass sich diese in irgendeiner Weise davon beeindrucken ließen.


Das Problem hing auch mit der verwirrenden Vielfalt der Menschen zusammen, die in die Psychologie drängten. Es war eine bunte Truppe von Leuten mit den unterschiedlichsten Motiven: Die einen hatten das Bedürfnis, das eigene Unglück zu erforschen; andere meinten, sie verfügten über tiefe Einblicke in die menschliche Seele, aber nicht über das nötige schriftstellerische Talent, um einen guten Roman zu schreiben; wieder andere suchten ein Betätigungsfeld für ihre mathematischen Fähigkeiten, nachdem sie in der Physik abgeblitzt waren. Nicht zu vergessen diejenigen, die menschliches Leid lindern wollten. Ein anderes Problem war, dass andere Fachgebiete die Psychologie gern als Rumpelkammer missbrauchten: Das war der Ort, an dem man alle möglichen unzusammenhängenden und vermeintlich unlösbaren Probleme deponierte. "Es ist durchaus möglich, zwei kompetente und produktive akademische Psychologen zu finden, die sich bei einem gemeinsamen Essen über das Wetter unterhalten müssten, weil sie auf dem Gebiet der Psychologie keine nennenswerten Gemeinsamkeiten haben", schrieb der Psychologe Paul Meehl 1986 in einem viel gelesenen Aufsatz. "Man könnte sich fragen, warum das so ist, oder ob man etwas dagegen tun kann oder - und diese Frage sollte man vermutlich als erste stellen - ob das überhaupt eine Rolle spielt. Warum sollte ein Verhaltensgenetiker, der sich mit der Vererbung der Schizophrenie beschäftigt, in der Lage sein, sich mit einem Experten zu unterhalten, der die elektrochemischen Prozesse in der Netzhaut eines Glasaugenbarschs untersucht?"


Eignungstests ergaben, dass Daniel für die Natur- und Geisteswissenschaften gleichermaßen geeignet war, doch er interessierte sich nur für Erstere. Und er wollte Menschen erforschen. Darüber hinaus hatte er keine konkreten Vorstellungen. In seinem zweiten Jahr an der Hebräischen Universität hörte er den Gastvortrag eines deutschen Gehirnchirurgen, der behauptete, dass Patienten mit bestimmten Gehirnschäden die Fähigkeit zu abstraktem Denken verlieren. Diese Behauptung wurde zwar später widerlegt, aber in diesem Moment war Daniel derart von ihr gefesselt, dass er überlegte, von der Psychologie zur Medizin zu wechseln, um im menschlichen Gehirn herumstochern und die Auswirkungen beobachten zu können. Einer seiner Professoren überzeugte ihn schließlich, dass die Belastungen eines Medizinstudiums nur zu rechtfertigen waren, wenn er Arzt werden wolle. Aber damit begann ein Muster: Mit großer Begeisterung griff Daniel nach einer Idee, nur um sie dann enttäuscht wieder fallen zu lassen. "Ideen sind billig zu haben", meint er. "Wenn man eine hat, die nicht funktioniert, sollte man nicht allzu viel Energie investieren, um sie zu retten, sondern sich lieber eine neue suchen."


In einer normalen Gesellschaft hätte sich vermutlich kaum eine praktische Anwendung für Daniel Kahnemans Fähigkeiten gefunden. Aber Israel war keine normale Gesellschaft. Nach seinem Studium an der Hebräischen Universität, das ihm irgendwie einen Abschluss in Psychologie einbrachte, wurde Daniel doch noch zum Militärdienst eingezogen. Freundlich, distanziert, chaotisch, konfliktscheu und unsportlich wie er war, hatte er so gar nichts Soldatisches an sich. Nur zweimal kam er in die Nähe eines Kampfeinsatzes, und beide Ereignisse brannten sich ihm ins Gedächtnis ein. Beim ersten Mal sollte seine Einheit ein arabisches Dorf angreifen. Sie sollte das Dorf umstellen und sich auf die Lauer nach arabischen Soldaten legen. Ein Jahr zuvor, nachdem eine israelische Einheit arabische Frauen und Kinder getötet hatte, hatten Daniel und sein Freund Shimon Shamir darüber gesprochen, wie sie sich verhalten würden, wenn sie jemals den Befehl erhielten, arabische Zivilisten zu töten. Damals hatten sie beschlossen, den Befehl zu verweigern. Nun hatte Daniel einen Auftrag erhalten, der dem sehr nahe kam. "Wir sollten nicht in das Dorf selbst vorstoßen", sagt er. "Die anderen Offiziere haben ihre Befehle bekommen. Ich habe zugehört - es war nie die Rede davon, dass sie Zivilisten töten sollten. Aber es war auch nicht die Rede davon, wie sie den Tod von Zivilisten vermeiden sollten. Ich konnte nicht fragen, denn das gehörte nicht zu meinem Auftrag." Die Operation wurde schließlich abgebrochen und seine Einheit abgezogen, ehe jemand in die Situation kam, einen Menschen erschießen zu müssen. Den Grund erfuhr Daniel erst später. Die anderen Einheiten waren in einen Hinterhalt geraten. Die jordanische Armee hatte sie erwartet. Wenn er nicht zurückbeordert worden wäre, "dann wären wir abgeschlachtet worden".


Beim zweiten Mal wurde er eines Nachts losgeschickt, um jordanische Soldaten in einen Hinterhalt zu locken. Seine Einheit wurde in drei Gruppen aufgeteilt. Die ersten beiden führte er an die jeweils vorgesehene Stelle und ließ sie unter dem Kommando je eines Unteroffiziers zurück. Die dritte, die an der jordanischen Grenze Stellung beziehen sollte, übernahm er selbst. Der befehlshabende Offizier, der Dichter Haim Gouri, sagte ihm, er solle bis zum Schild "Halt! Grenze!" vorstoßen. Doch in der Dunkelheit übersah Daniel das Schild. Als die Sonne aufging, erspähte er stattdessen einen feindlichen Soldaten, der mit dem Rücken zu ihm auf einem Hügel stand - er war in Jordanien einmarschiert. ("Ich hätte fast einen Krieg ausgelöst.") Der Streifen zwischen dem Hügel vor ihm und der Grenze war wie geschaffen für jordanische Scharfschützen, die israelische Soldaten ins Visier nahmen. Daniel machte kehrt, um seine Einheit zurück nach Israel zu schmuggeln, doch dann stellte er fest, dass einer seiner Männer seinen Rucksack verloren hatte. Um keinen Anschiss zu bekommen, weil er Material auf Feindgebiet zurückgelassen hatte, krochen er und seine Männer am Rand der Todeszone herum. "Es war unglaublich gefährlich. Ich wusste, wie dumm das war. Aber wir würden bleiben, bis wir den Rucksack gefunden hatten. Weil ich schon die Frage gehört habe: ›Wie kannst du nur Material zurücklassen?‹ Ich erinnere mich bis heute, wie idiotisch das war." Schließlich fanden sie den Rucksack. Nach seiner Rückkehr bekam Daniel trotzdem seinen Anschiss, aber nicht wegen des Rucksacks: "Sie haben mich gefragt: ›Warum hast du nicht geschossen?‹"


Die Armee riss ihn aus seiner selbstgewählten Rolle des Beobachters heraus. In seinem Jahr als Offizier habe er "den letzten Rest dieses Gefühls der Verwundbarkeit und Schwäche und Hilflosigkeit verloren, das ich in Frankreich hatte", sagte er später. Aber er war nicht dazu gemacht, Menschen zu töten. Überhaupt war er nicht für das Soldatenleben geschaffen, aber die Armee fand schließlich eine andere Verwendung für ihn: Er wurde in die neu gegründete psychologische Einheit versetzt. Bis 1954 zeichnete sich die psychologische Einheit der israelischen Armee vor allem dadurch aus, dass sie keinen einzigen Psychologen aufwies. Daniels neuer Vorgesetzter - der Leiter der psychologischen Forschungsabteilung der Armee - war Chemiker. So kam es, dass Daniel, ein zwanzigjähriger Flüchtling aus Europa, der einen erheblichen Teil seines bisherigen Lebens in Verstecken zugebracht hatte, zum psychologischen Experten der israelischen Armee wurde. "Er war dürr, hässlich und klug", erinnert sich Tammy Viz, die mit Daniel in der psychologischen Einheit diente. "Ich war neunzehn, er war einundzwanzig, und ich glaube, er hat mit mir geflirtet; aber ich war zu dumm, um es zu bemerken. Er war kein normaler Kerl. Aber die Leute haben ihn gemocht." Und sie brauchten ihn, auch wenn sie zunächst keine Ahnung hatten, wie sehr.


Der neue Staat hatte ein Problem: Aus einer verwirrend heterogenen Bevölkerung musste er Streitkräfte schmieden. Im Jahr 1948 hatte David Ben-Gurion alle Juden der Welt eingeladen, nach Israel zu komm
n. Im Laufe der nächsten fünf Jahre folgten 730?000 Einwanderer aus unterschiedlichen Kulturen und mit unterschiedlichen Sprachen dem Ruf. Viele der jungen Männer, die zur israelischen Armee eingezogen wurden, hatten unaussprechliches Leid durchgemacht: Wohin man auch blickte, sah man Menschen mit eintätowierten Nummern auf den Armen. Auf den Straßen stolperten Mütter unversehens über ihre eigenen Kinder, von denen sie glaubten, sie seien von den Deutschen ermordet worden. Aber man sprach nicht über das, was man während des Holocaust erlebt hatte. "Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen galten als Schwächlinge", erklärte ein israelischer Psychologe. Wenn man ein israelischer Jude sein wollte, dann musste man zumindest so tun, als habe man das Unvergessliche vergessen.


Israel war weniger eine Nation als eine Festung, und noch immer herrschte in der Armee ein heilloses Durcheinander. Die Soldaten waren schlecht ausgebildet, die Einheiten schlecht koordiniert. Der General der Panzerdivision sprach nicht einmal dieselbe Sprache wie die meisten seiner Männer. Anfang der Fünfziger herrschte zwar kein offener Krieg zwischen Arabern und Israelis, doch die dauernde sinnlose Gewalt entblößte die Schwächen der israelischen Armee. Beim ersten Anzeichen von Gefahr nahmen die Soldaten die Beine in die Hand, weshalb die Offiziere von hinten führen mussten. Die Infanterie begann eine Reihe von nächtlichen Angriffen auf arabische Stützpunkte, die sämtlich scheiterten, weil sich die Soldaten in der Dunkelheit verliefen. Nachdem eine Einheit eine ganze Nacht lang im Kreis gelaufen war, hatte sich ihr Kommandeur einfach erschossen. Wenn es tatsächlich zur Feindberührung kam, war das Ergebnis oft verheerend. Im Oktober 1953 hatte eine Einheit - ob auf Befehl oder nicht, wurde nie geklärt - ein jordanisches Dorf überfallen und 69 Menschen getötet, die Hälfte davon Frauen und Kinder.


Seit dem Ersten Weltkrieg wurden zur Musterung und Beurteilung junger Rekruten Psychologen eingesetzt. Aber es ist nicht unbedingt ersichtlich, warum man einen Psychologen brauchen sollte, um Zehntausende junge Männer schnell in eine schlagkräftige Truppe einzugliedern, zumal wenn besagter Psychologe einundzwanzig Jahre alt ist und sich seine Psychologiekenntnisse mehr oder weniger im Selbststudium angeeignet hat. Daniel war selbst überrascht, als er den Auftrag erhielt, und fühlte sich überfordert. Außerdem hatte er schon gesehen, wie schwer es war, Eignungen zu ermitteln, als er im Auftrag seiner Vorgesetzten Kandidaten für eine Offiziersausbildung beurteilen sollte.


Die jungen Männer, die eine Offizierslaufbahn einschlagen wollten, bekamen eine sonderbar wirklichkeitsfremde Aufgabe: Sie sollten eine Mauer überwinden, ohne diese zu berühren, und durften dazu nur eine lange Stange verwenden, die weder die Mauer noch den Boden berühren durfte. "Wir beobachteten, wer die Führung übernahm, wer führen wollte und zurückgewiesen wurde, und wer sich kooperativ verhielt", schrieb Daniel. "Wir erkannten, wer stur, unterwürfig, arrogant, geduldig, reizbar, hartnäckig oder mutlos war. Wir beobachteten den Trotz, mit dem jemand, dessen Vorschlag abgelehnt wurde, die Anstrengungen der Gruppe sabotierte. Und wir beobachteten Reaktionen auf Krisen … Wir glaubten, dass unter Belastung der wahre Charakter eines Menschen sichtbar wird. Der Eindruck, den wir von der Persönlichkeit jedes Kandidaten erhielten, war so klar und überzeugend wie die Farbe des Himmels."


Es fiel ihm nicht weiter schwer zu benennen, wer einen guten Offizier abgeben würde und wer nicht. "Wir hatten kein Problem damit zu sagen, ›Der schafft es nie‹, ›Der ist Mittelmaß‹, ›Der wird ein Star‹". Bis er die Prognosen mit den Ergebnissen verglich und untersuchte, wie die unterschiedlichen Kandidaten tatsächlich in der Offiziersausbildung abgeschnitten hatten. Seine Prognosen waren wertlos. Aber weil das die Armee war, und weil er einen Auftrag hatte, erstellte er sie weiter. Und weil er Daniel war, notierte er, dass er noch immer an sie glaubte. Die Situation erinnerte ihn an die berühmte Müller-Lyer-Täuschung.





Abbildung 2: Müller-Lyer-Täuschung.


Obwohl beide Linien gleich lang sind, lässt sich das Auge täuschen und kommt zu dem Schluss, dass die obere länger ist als die untere. Selbst wenn wir sie mit einem Lineal nachmessen und feststellen, dass sie tatsächlich exakt gleich lang sind, bleibt die Täuschung bestehen: Das Auge beharrt darauf, dass die obere Linie länger ist. Wenn die Wahrnehmung schon in einem so einfachen Fall die Wirklichkeit ausschalten kann, wie schnell passiert das dann in einer komplizierteren Situation?


Daniels Vorgesetzte waren der Überzeugung, dass jede Waffengattung eine eigene Persönlichkeit hatte. So gebe es zum Beispiel eine "Fliegerpersönlichkeit", eine "Panzerpersönlichkeit", eine "Infanteriepersönlichkeit" und so weiter. Daniel sollte herausfinden, welcher Rekrut für welche Waffengattung geeignet war. Also entwickelte er einen Persönlichkeitstest, der die gesamte israelische Bevölkerung in die richtigen Schubladen einsortieren sollte. Zunächst stellte er diejenigen Eigenschaften zusammen, die seiner Ansicht nach am ehesten auf die Einsatztauglichkeit schließen ließen: männlicher Stolz, Pünktlichkeit, Sozialkompetenz, Pflichtbewusstsein, unabhängiges Denken. "Die Liste habe ich mir aus der Nase gezogen", gestand er später. "Für so etwas brauchen Fachleute Jahre, sie machen Probeläufe, experimentieren mit verschiedenen Versionen und so weiter. Ich hatte keine Ahnung, dass das eine schwierige Sache war."


Nach Daniels Ansicht bestand das eigentliche Problem darin, die fraglichen Größen in einem normalen Vorstellungsgespräch exakt zu ermitteln. Schon 1915 hatte der amerikanische Psychologe Edward Thorndike die Schwierigkeiten beschrieben, die sich ergeben, wenn Menschen einander beurteilen. Damals hatte Thorndike Offiziere der U.S. Army gebeten, ihre Männer nach körperlichen Eigenschaften zu bewerten (zum Beispiel Ausdauer) und dann nach weniger objektiven Eigenschaften (zum Beispiel Intelligenz oder Führungspersönlichkeit). Dabei stellte er fest, dass das Gefühl, das bei der ersten Beurteilung entstanden war, in die zweite einfloss: Wenn ein Offizier die körperlichen Eigenschaften eines seiner Männer positiv bewertete, dann beurteilte er ihn auch in anderer Hinsicht positiv. Und wenn man die Reihenfolge der Beurteilung umkehrte, trat dasselbe Problem auf: Wen die Offiziere für intelligent hielten, den stuften sie auch körperlich als fitter ein. "Offenbar wirft die Beurteilung allgemeiner Eigenschaften ihr Licht auf die Beurteilung besonderer Fähigkeiten, und umgekehrt", schloss Thorndike und folgerte weiter: "Selbst ein außergewöhnlich fähiger Vorarbeiter, Arbeitgeber, Lehrer oder Abteilungsleiter ist nicht in der Lage, einen Menschen als Summe unterschiedlicher Eigenschaften zu erkennen und jede davon unabhängig von den anderen zu bewerten." Damit war etwas geboren, das bis heute "Halo-Effekt" genannt wird.


Daniel kannte diesen Halo-Effekt. Und er konnte sehen, dass die Befragerinnen der israelischen Armee ihm zum Opfer gefallen waren: Sie verbrachten zwanzig Minuten mit der Befragung eines neuen Rekruten und erstellten danach ein allgemeines Persönlichkeitsprofil. Weil sich allgemeine Eindrücke als irreführend erwiesen hatten, wollte Daniel sie vermeiden. Überhaupt wollte er menschliches Urteil, wenn möglich, ganz ausschalten. Warum er dem misstraute, hätte er nicht genau sagen können. Rückblickend vermutete er, dass er zuvor ein neues Buch von Paul Meehl gelesen haben musste - derselbe Paul Meehl, der später über mögliche Gemeinsamkeiten zwischen Psychologen nachdachte. In seinem Buch Clinical versus Statistical Prediction ("Klinische versus statistische Prognose") hatte Meehl nachgewiesen, dass Psychoanalytiker, die eine Prognose über die weitere Entwicklung ihrer neurotischen Patienten abgeben sollten, schlechter abschnitten als einfache Algorithmen. Das Buch war 1954 erschienen - ein Jahr bevor Daniel den Auftrag erhielt, die Persönlichkeitstests der israelischen Armee zu überholen - und hatte Psychoanalytiker verärgert, die große Stücke auf ihre Diagnosen und Prognosen hielten. Zudem warf es eine allgemeinere Frage auf: Wenn schon diese Experten den Wert ihrer Prognosen falsch einschätzten, wer ließe sich dann nicht täuschen? "Aus meiner damaligen Arbeit würde ich schließen, dass ich Meehl gelesen haben muss", sagt Daniel.


Er gab den Befragerinnen - vor allem junge Frauen - eine Liste von Fragen, die sie jedem Rekruten stellen sollten, um den Halo-Effekt zu minimieren. Diese ganz spezifischen Fragen sollten nicht auf die Selbsteinschätzung der Soldaten zielen, sondern zeigen, wie sich die Soldaten in konkreten Situationen verhielten. Die Fragen sollten nicht nur Fakten ermitteln, sondern sie waren so formuliert, dass nicht erkennbar wurde, um welche Fakten es ging. Nach jedem Abschnitt sollten die Befragerinnen mit einem Wert zwischen 1 und 5 beurteilen, wie häufig der Befragte eine Verhaltensweise zeigte. Bei der Beurteilung der Geselligkeit vergaben sie beispielsweise die 5 für jemanden, "der enge soziale Beziehungen eingeht und sich vollständig mit der ganzen Gruppe identifiziert", und die 1 für jemanden, der "vollkommen isoliert" war. Daniel erkannte, dass seine Methode alle möglichen Schwächen hatte, aber er beschloss, sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen. Beispielsweise grübelte er lange, wie er die 3 definieren sollte: War das jemand, der gelegentlich sehr gesellig war, oder jemand, der immer moderat gesellig war? Also entschied er sich für beides. Wichtig war, dass die Befragerin ihre persönliche Meinung für sich behielt. Die Frage war nicht "Was halte ich von ihm?", sondern "Was hat er getan?". Das Urteil, wer welcher Waffengattung zugeordnet wurde, sollte dem Algorithmus überlassen werden. "Das hat den Befragerinnen überhaupt nicht gepasst", erinnert sich Daniel. "Sie haben gemeutert und sich beschwert, dass ich sie zu Maschinen degradiere. Sie glaubten von sich, dass sie die Persönlichkeit der Rekruten beurteilen konnten. Und dieses Gefühl habe ich ihnen genommen. Das hat ihnen ganz und gar nicht gefallen."


Dann fuhr Daniel mit einem Assistenten durch das ganze Land und bat Offiziere, die Persönlichkeit ihrer eigenen Soldaten zu beurteilen, damit er sie mit der Leistung der Soldaten vergleichen konnte. Wenn er herausfand, welche Eigenschaften in einer bestimmten Waffengattung besonders erfolgreich waren, dann würde er die Rekruten besser zuordnen können, so die Logik. (Wie immer erinnert er sich heute nicht mehr an das große Ganze der Rundreise, sondern vor allem an kuriose Einzelheiten. Von den Begegnungen mit den Offizieren hat er beispielsweise nichts behalten, dafür erinnert er sich umso lebhafter, was der Fahrer sagte, nachdem sich Daniel auf den Fahrersitz des Jeeps gesetzt hatte. Daniel hatte noch nie hinterm Steuer gesessen. Nachdem er vor einem Schlagloch abgebremst hatte, lobte ihn der Fahrer: "Genau so sanft muss es sein.") Von den Offizieren erfuhr Daniel, dass sein Projekt vollkommen sinnlos war. Die Persönlichkeiten erfolgreicher Soldaten unterschieden sich nicht nach den Waffengattungen. Ein guter Infanteriesoldat brachte mehr oder weniger dieselben Eigenschaften mit wie ein guter Panzerfahrer oder Artillerist.


Trotzdem ließ sich aus den Persönlichkeitstests etwas ableiten. Sie zeigten nämlich, wie gut ein Rekrut war, egal wohin man ihn steckte. Damit hatte die Armee immerhin eine bessere Vorstellung davon, wer das Zeug zum Offizier oder Elitesoldaten mitbrachte und wer nicht. (Man konnte sogar vorhersagen, wer im Gefängnis enden würde.) Die überraschendste Erkenntnis aber war, dass die Testergebnisse nur lose mit Intelligenz und Bildung zusammenhingen, das heißt, sie lieferten mehr Informationen als diese einfachen Größen. Mithilfe des "Kahneman-Werts", wie er intern hieß, gelang es Israel, das Verteidigungspotenzial seiner Bevölkerung besser zu nutzen. Vor allem bei der Auswahl der Offiziere kam den Qualitäten auf Daniels Liste größere Bedeutung zu als Intelligenztests.


Daniels Auswahlverfahren war so erfolgreich, dass es mit einigen geringfügigen Änderungen bis heute angewendet wird. (Seit Frauen in Kampfeinheiten dienen, ist beispielsweise nicht mehr von "männlichem Stolz", sondern nur noch von "Stolz" die Rede.) "Einmal sollte es ersetzt werden", berichtet Reuven Gal, Autor von A Portrait of the Israeli Soldier. Gal war fünf Jahre lang Chefpsychologe der israelischen Streitkräfte. "Aber weil das neue Verfahren schlechter war, ist man zum alten zurückgegangen." Nach seinem Abschied aus der Armee ging Gal 1983 mit einem Forschungsstipendium in die Vereinigten Staaten. Dort erhielt er eines Tages einen Anruf von einem der führenden Generäle. "Er hat mich gefragt, ob es mir etwas ausmachen würde, mich mit ihnen zu unterhalten." Im Pentagon wurde Gal von Generälen der U.S. Army befragt. Sie formulierten immer neue Fragen, aber im Grunde war es immer dieselbe: "›Wie kann es sein, dass ihr dieselben Gewehre, dieselben Panzer und dieselben Flugzeuge benutzt wie wir und dass ihr so viele Schlachten gewinnt und wir nicht? An den Waffen kann es nicht liegen. Also muss es an der Psychologie liegen. Wie wählt ihr die Soldaten für eure Kampfeinheiten aus?‹ Dann haben sie mich fünf Stunden lang zu unserem Auswahlverfahren ausgefragt."


Später, als Universitätsprofessor, riet Daniel seinen Studenten: "Wenn jemand etwas sagt, dann fragt euch nicht, ob es zutrifft oder nicht. Fragt lieber, worauf es zutrifft." Das war sein intellektueller Instinkt: Er wollte die Aussage eines anderen nicht widerlegen, sondern sie verstehen. Die Frage, die er für das Militär beantworten sollte - Welche Persönlichkeit passt zu welcher Waffengattung? -, hatte sich als sinnlos erwiesen. Also hatte Daniel eine andere, sinnvollere Frage beantwortet: Wie können wir verhindern, dass die Intuition der Befragerinnen ihre Beurteilung von Rekruten sabotiert? Er sollte die Persönlichkeit der israelischen Jugend ermitteln, stattdessen machte er eine Entdeckung über Menschen, die die Persönlichkeit anderer Menschen ermitteln sollten: Wenn man das Bauchgefühl ausschalten konnte, wurde das Urteil besser. Er hatte eine begrenzte Aufgabe erhalten und eine allgemeine Wahrheit entdeckt. "Der Unterschied zwischen Daniel und den nächsten 999?999 Psychologen ist seine Fähigkeit, ein Phänomen zu erkennen und dann zu erklären, inwieweit es auf andere Situationen zutrifft", meint Dale Griffin, Psychologe an der University of British Columbia. "Es sieht aus wie ein Glücksgriff, aber es gelingt ihm immer wieder."


Jeder andere hätte nach dieser Erfahrung vor Selbstvertrauen nur so gestrotzt. Mit einem Handstreich hatte der einundzwanzigjährige Daniel Kahneman mehr für die israelische Armee (die Einrichtung, von der das Überleben des jungen Staates abhing) getan als jeder andere Psychologe vor und nach ihm. Es wäre naheliegend gewesen, nun seinen Doktor zu machen und Israels führender Experte auf dem Gebiet der Persönlichkeitsforschung und der Auswahlverfahren zu werden. Harvard war die Heimat der führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet, aber Daniel war überzeugt, dass er für Harvard nicht gut genug war, und bewarb sich erst gar nicht. Stattdessen ging er nach Berkeley.


Als er 1961, vier Jahre später, als Juniorprofessor an die Hebräische Universität zurückkehrte, stand er ganz unter dem Eindruck der Persönlichkeitsforschung von Walter Mischel. Ende der Sechziger sollte Mischel mit Kindern die wunderbar einfachen Marshmellow-Tests durchführen, die so viel über ihre Persönlichkeit aussagten. Dazu brachte er Drei-, Vier- und Fünfjährige in einen Raum, ließ sie dort mit ihrer Lieblingssüßigkeit - zum Beispiel einem Marshmellow oder einer Brezel - allein und versprach ihnen, wenn sie es ein paar Minuten aushielten, bekämen sie eine zweite Süßigkeit. Dabei stellte sich heraus, dass die Geduld der Kinder mit ihrem Intelligenzquotienten, ihrer Familiensituation und einer ganzen Reihe von anderen Dingen zusammenhing. Mischel verfolgte den weiteren Lebenslauf seiner Versuchspersonen und fand heraus
dass sie später um


Beschreibung
Wie gelangen wir zu unseren Entscheidungen, und warum liegen wir so oft daneben?

Daniel Kahneman war sich immer sicher, dass er sich irrte. Amos Tversky war sich immer sicher, dass er recht hatte. Der eine nimmt alles ernst, für den anderen ist das Leben ein Spaß. Die beiden weltberühmten Psychologen und Begründer der Verhaltensökonomie haben mit ihrer gemeinsamen Forschung unsere Annahmen über Entscheidungsprozesse völlig auf den Kopf gestellt. Michael Lewis entspinnt entlang zweier filmreifer Figuren eine fesselnde Geschichte über menschliches Denken in unkalkulierbaren Situationen und die Macht der Algorithmen. In seiner genialen Erzählung führt uns Lewis an die Grenzen unserer Entscheidungen.

Zitat aus einer Besprechung
»Die verblüffenden Erkenntnisse zweier berühmter Verhaltensökonomen: Hier werden sie packend und verständlich erzählt.«, DIE ZEIT, 16.03.2017

»Manchmal verändert ein Buch den Blick auf die Verhältnisse - und manchmal verändern die Verhältnisse den Blick auf ein Buch. ›Aus der Welt: Grenzen der Entscheidung oder Eine Freundschaft, die unser Denken verändert hat‹ von dem amerikanischen Sachbuchautor Michael Lewis ist der seltene Fall, auf den beides zutrifft. Was für ein Glücksfall in diesen Tagen.« Jens-Christian Rabe, Süddeutsche Zeitung, 26.01.2017

»Michael Lewis erzählt die Geschichte [von Daniel Kahneman und Amos Tversky] plastisch und mit dem Flair einer Reportage. […] Am Ende bedauert man, dass ›Aus der Welt‹ nicht noch länger ausgefallen ist.« Alexander Kluy, Psychologie Heute, 12.04.2017

"Michael Lewis ist ein Meister darin, abstrakte Geschehnisse in süffige Narrative zu gießen. So beeinflusst er nachhaltig das Bild, das die Gesellschaft von jenen Themen hat, die er sich in seinen Werken vornimmt." Christian Rickens, Handelsblatt, 13.01.2017

»Michael Lewis ist ein eindrückliches Buch gelungen, informativ und kurzweilig, teils wie eine Dokumentation, teils wie eine Erzählung geschrieben. (…) eine faszinierende Geschichte.« Alexander Armbruster, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.01.2017

»Lewis in Bestform. […] Wie er die Geschichten der Hirnforscher Daniel Kahnemann und Amos Tversky erzählt, ist ein Genuss und handwerklich unschlagbar.«, Handelsblatt Online, 23.03.2017

»Michael Lewis entspinnt entlang zweier filmreifer Figuren eine fesselnde Geschichte über menschliches Denken. Ein lesenswertes, gut geschriebenes Buch, das auf eine neue Disziplin und eine große Kontroverse mit politischen Folgen aufmerksam macht.« Gert Scobel, 3Sat Scobel, 30.03.2017

»Genial hoch zwei«, Gehirn und Geist, 05.05.2017

»Ob er irgendwann mal einen Flop landet? Es sieht nicht unbedingt danach aus. […] Kein Sachbuchautor weltweit war in den vergangenen Jahren so erfolgreich wie Lewis.« Malte Buhse, Wirtschaftwoche, 06.01.2017

"Michael Lewis (...) kann ohne jeden Zweifel aus der tristen Welt der Ökonomie unfassbare Geschichten erschaffen." Stefan Schmitz, Stern, 12.01.2017

»Ein lesenswertes Denkmal für zwei herausragende Wissenschaftler.« Daniel Stelter, Manager Magazin, 16.12.2016

»Michael Lewis gelingt in seinem Buch über die beiden Forscher ein Spagat: Detailliert rekonstruiert er ihre wissenschaftliche Erfolgsgeschichte und bleibt dabei trotz vieler Formeln immer verständlich. Gleichzeitig fühlt er sich behutsam ein in eine große Freundschaft zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.« Jakob Simmank, ZEIT Wissen, 21.02.2017

Über Michael Lewis

Michael Lewis ist New-York-Times-Nr. 1-Bestsellerautor. In seinem ersten Buch "Liar's Poker" verarbeitete er seine Erfahrungen als Investmentbanker. 2003 erschien sein Bestseller "Moneyball", der 2011 mit Brad Pitt in der Hauptrolle verfilmt wurde, ein Buch über ein Baseballteam, das seine Spieler nach mathematischen Regeln beurteilt. Es folgten bei Campus u.a. "The Big Short", das auch als Kinofilm Furore machte, und zuletzt "Flash Boys", das ebenfalls in Hollywood verfilmt wird. Lewis lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Berkeley, Kalifornien.