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Geplante Aufhebung der IG-L-Geschwindigkeitsbeschränkung („Lufthunderter“) auf der Tauern Autobahn in Salzburg

Beitrag von Ass.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Schnedl


Nachdem das Bundesland Salzburg bereits im November 2022 die nach dem Immissionsschutzgesetz – Luft (IG-L) verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Teilstrecke der West Autobahn (hier war für den Salzburger Zentralraum ein „Luft-80er“ vorgesehen) aufgehoben hat (LGBl 2022/89), steht jetzt auch der „Lufthunderter“ auf der Tauern Autobahn vor dem Aus. Konkret soll das nach dem IG-L verordnete luftgüteabhängige und damit flexible Tempo-100-Limit auf der A 10 zwischen Salzburg und Golling (LGBl 2015/26 idgF) mit 1. November 2023 aufgehoben werden. So sieht es jedenfalls ein entsprechender Verordnungsentwurf des Landeshauptmannes von Salzburg vor (https://service.salzburg.gv.at/pub/get/28810). Begründet wird die Aufhebung damit, dass die Stickstoffdioxid-Grenzwerte auf dem genannten Autobahnabschnitt seit drei Jahren nicht mehr überschritten wurden. Auch sei einer wissenschaftlichen Studie zufolge nicht damit zu rechnen, dass die Grenzwerte in Zukunft überschritten werden, und zwar auch dann nicht, wenn Tempo 130 wieder gilt.

Apropos Grenzwerte: Die Luftqualitäts-RL 2008/50/EG sieht für Stickstoffdioxid (NO2) einen Jahresmittelwert von 40 µg/m3 vor, während das die Richtlinie umsetzende IG-L einen vergleichsweise strengeren Wert von 30 µg/m3 mit einer Toleranzmarge von 5 µg/m3 vorgibt. 


Rechtliche Zulässigkeit der Aufhebung der Salzburger Tauern Autobahn-Geschwindigkeitsbeschränkungs-Verordnung 

Die vom Bundesland Salzburg geplante Aufhebung der Tauern Autobahn-Geschwindigkeitsbeschränkungs-Verordnung ist rechtlich zulässig. Den Ländern steht zur Einhaltung der im IG-L festgelegten Immissionsgrenzwerte für einzelne Luftschadstoffe – ua für Feinstaub (PM10), Ultrafeinstaub (PM2,5) und Stickstoffdioxid (NO2) – nämlich eine große Bandbreite von Maßnahmen zur Verfügung. So können neben Maßnahmen für Kraftfahrzeuge auch solche für Anlagen, für Stoffe, Zubereitungen und Produkte sowie für das Verbrennen im Freien verordnet werden. Die Geschwindigkeitsbeschränkung für Kraftfahrzeuge ist also nur eine von mehreren den Ländern zur Verfügung stehende Maßnahme, wenngleich natürlich eine sehr wirksame. Werden die Luftschadstoffgrenzwerte in einem bestimmten Sanierungsgebiet dauerhaft eingehalten, bedarf es überhaupt keiner IG-L-Maßnahmenverordnung, bestehende Verordnungen können demnach auch wieder aufgehoben werden, auch wenn dies im IG-L so nicht explizit festgelegt ist. 


Argumente für die Aufrechterhaltung des Salzburger „IG-L-Lufthunderters“

Argumente für die Aufrechterhaltung des Salzburger „IG-L-Lufthunderters“Die vom Bundesland Salzburg geplante Aufhebung des „IG-L-Lufthunderters“ auf der Tauern Autobahn ist aus mehreren Gründen freilich nicht sinnvoll. Zum einen wird der „Lufthunderter“ ohnehin nur dann geschalten, wenn die Stickstoffdioxid-Grenzwerte überschritten werden. Zum anderen haben Tempolimits in den vergangenen Jahren ganz wesentlich zur NO2-Reduktion geführt und damit einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge geleistet. Bedenkt man, dass laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur die Luftverschmutzung in der EU noch immer zu rund 300.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr führt (hinzu kommt eine beträchtliche Zahl durch Luftverschmutzung verursachter Krankheiten), so muss die geplante Aufhebung der IG-L-Geschwindigkeitsbeschränkung, die unweigerlich zu einem Wiederanstieg der NO2-Konzentration führen würde, strikt abgelehnt werden.

Als weiteres Argument für die Aufrechterhaltung des „Lufthunderters“ kann angeführt werden, dass die aktuell in Europa geltenden Grenzwerte für Stickstoffdioxid (gleiches gilt für Feinstaub) mehr als 20 Jahre alt sind und nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. So hat denn auch die EU-Kommission im Oktober 2022 einen Vorschlag für eine neue Luftqualitäts-RL mit strengeren Grenzwerten vorgelegt (COM[2022] 542 final) und sich dabei an den 2021 veröffentlichten Richtwerten der WHO orientiert. Für NO2 wird ein Jahresmittelwert von 20 µg/m3 vorgeschlagen, und zwar ab 1. 1. 2030. Das Europäische Parlament hat sich im September 2023 sogar für die WHO-Empfehlung von 10 µg/m3 (ab 1. 1. 2035) ausgesprochen (https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0318_DE.pdf). Angesichts der sich abzeichnenden EU-weiten Verschärfung der Luftschadstoffgrenzwerte wäre die Aufhebung des Salzburger „Lufthunderters“ geradezu kontraproduktiv und extrem kurzsichtig, da wohl nicht von langer Dauer. Ökologisch nachhaltiges Handeln sieht jedenfalls anders aus. Es bleibt daher zu hoffen, dass Salzburg doch noch einen Rückzieher macht, zumindest aber, dass andere Bundesländer nicht dem Beispiel Salzburg folgen. 

26. September 2023



Mag. Dr. Gerhard Schnedl

Mag. Dr. Gerhard Schnedl Assistenzprofessor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Universität Graz und Mitglied des Forschungszentrums für Klimaschutzrecht ClimLaw: Graz; Verfasser eines Lehrbuchs „Umweltrecht“ und Mitherausgeber der Zeitschrift „Nachhaltigkeitsrecht (NR)“.

 © Universität Graz

 

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